Hochschulstudium für museale Vermittlung und
Museumspädagogik –
1993 erstmals auch in Deutschland
Mit der Eröffnung des neuen Diplom-Studienganges Museologie 1992
an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig (FH)
wurde eine jahrzehntealte Forderung nach museumsspezifischer, wissenschaftlich
fundierter Berufsausbildung aufgegriffen. Damit gelang dem Freistaat Sachsen
als erstem deutschen Bundesland ein berufs- und wissenschaftspolitischer
Innovationsschub zugleich. Eingebunden in das wissenschafts- und museumstheoretische
Konzept der Museologie, wie sie bereits in anderen europäischen Hochschulen
und in internationalen Gremien bewährt und anerkannt ist, zielt der
neue Studiengang auf ein integriertes Miteinander verschiedener Qualifikationen
zur musealen Bestandsbildung, -erhaltung, -dokumentation, -vermittlung
und -verwaltung.
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Mit dieser Maßgabe folgt die Ausbildung zugleich den Empfehlungen
der Ständigen Konferenz der Kultusminister, die Bildungs- und Vermittlungsaufgabe
gleichermaßen neben den anderen Museumsaufgaben des Sammelns, Konservierens
und Forschens zu beachten. Konsequenterweise wurde das Lehrgebiet "Grundlagen
der Objektvermittlung und Museumspädagogik" zum konstitutiven Bestandteil/Standard
der Hochschulausbildung in Leipzig.
Dabei bilden berufspraktische Erfahrungsfelder neben den museologischtheoretischen
Voraussetzungen ein weiteres Fundament. Gemeint sind die modernen Dienstleistungen
musealer Vermittlung, wie sie in deutschen Städten, zum Beispiel Karlsruhe,
Köln, Leipzig und Nürnberg, bereits seit Mitte der 60er Jahre
geschaffen, später auch anderswo eingerichtet und erweitert worden
sind. Anfangs noch von Schul- und Bildungsreform geprägt, wurden die
Anforderungen einschlägiger Vermittlung schrittweise erweitert: von
der noch überwiegend schulorientierten "Museumspädagogik", übergreifender
Bildungsund Öffentlichkeitsarbeit über differenzierte Freizeitangebote
und kooperative Maßnahmen mit anderen Bildungsträgern für
Wissenschafts- und Kulturtransfer, über besondere Angebote für
die Erwachsenenbildung und Gedenkstättenarbeit bis hin zu neuen Methoden
und Techniken der Präsentation.
So gibt es heute sehr verschiedenartige, teils miteinander konkurrierende
Initiativen, Aktivitäten und (institutionelle) Angebote musealer Vermittlung.
Eine umfassende Reflexion bietet der museologische Ansatz sogenannter "Kommunikation"
bzw. "Museopädagogik" (Zbynek Stransky) für Vermittlungsstrategien
an Museen. Dabei erweist sich das Museum als Kreuzungspunkt in dem sehr
komplexen Beziehungsgeflecht von Wissenschaft(sdisziplin)en und Öffentlichkeit
(Museumsträger und -publikum), die ihrerseits wiederum in einer engen
wechselseitigen Verbindung untereinander stehen. In der Folge sind wissenschaftliche
Anfragen an die Museumsarbeit stets auch wesentlich geprägt vom gesellschaftlich-politischen
Umfeld wie umgekehrt: die gesellschaftlich-politischen Anfragen und Erwartungen
an Museen auf wissenschaftlich-museologische Antworten verwiesen. Dabei
bilden die gegenständlichen Sammlungen unzweifelhaft das ausschlaggebende
Fundament, an dem jede Museumsarbeit gemessen wird! Es bieten sich Chancen
für einen Wissenschafts- und Kulturtransfer in dreifacher Hinsicht
– interdisziplinär, interinstitutionell und interkulturell. Diese
drei "Inters" bilden ein wesentliches Charakteristikum museologisch konzipierter,
zugleich praktisch bewährter Vermittlung:
1) in der Wechselbeziehung verschiedener wissenschaftlicher Fachdisziplinen
das heißt: Interdisziplinarität unter den objekt- und funktionsbezogenen
Fachwissenschaften, zum Beispiel Kunstgeschichte oder Kultursoziologie;
2) im Zusammenwirken verschiedener Institutionen aus Politik, Verwaltung,
Wissenschaft,
Wirtschaft, Bildung, Presse und Öffentlichkeit – unter den Museums-
und Ausstellungsträgern wie unter den Besuchern als Angehörigen
dieser Institutionen, das heißt: Interinstitutionalität zum
Beispiel zwischen Museen, Kirchen, Staats- oder Kommunalbehörden,
Wirtschaftsunternehmen, Forschungseinrichtungen, Verbänden, Schulen
usw.;
3) im Museumspublikum und dessen Resonanz unter den Angehörigen
verschiedener soziokultureller Gruppen, das heißt: Interkulturalität/-sozialität
zwischen verschiedenen Altersgruppen (Senioren, Berufstätige, Heranwach-
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sende), wechselnde Status-Gruppen (Nicht-/Akademiker), sonstige Besuchergruppen
je nach nationaler, ethnischer, konfessioneller oder anderer Herkunft.
Diese drei "Inters" ermöglichen eine sehr produktive und kreative
Öffentlichkeit für Wissenschaft und Kultur – eine Art Billard-Effekt
mit Impulsen, die das museumsspezifische Erkenntnis-, Erlebnis- und Bildungspotential
auszeichnen. Skizzenhaft ergibt sich ein Beziehungsgefüge nach folgendem
Überblick
In diesem Zusammenhang erfordert die Vermittlung in und durch Museen
eine besondere kommunikative und konzeptionelle Kompetenz: einerseits als
museumsspezifischer Vermittlungsanspruch an das Fachpersonal oder als besonderes
Aufgabengebiet von speziell als "Museumspädagogen" engagierten Fachkräften,
zuständig für besondere Besucherangebote. Idealerweise wirken
die beteiligten Fachkräfte in allen Museumsbereichen zusammen – nach
einer Art Corporate Identity für Museen – intern wie extern. Dazu
gehören bekanntlich mehrere Elemente: 1) das Corporate Image, das
sich in inhaltlichen und Ausstellungsprofilen von Museen und deren Teil-Öffentlichkeiten
niederschlägt, Kontroversen und markante Meinungsprofile verursachen
kann, 2) die Corporate Culture für die internen kommunikativen Strukturen
der Museumsmitarbeiter aus Technik, Wissenschaft, Verwaltung untereinander,
außerdem für die Außenwirkung, museale Dienstleistungen
für das Publikum und die Öffentlichkeit, und schließlich
3) das Corporate Design, das den Museumsnamen, das Logo, das jeweilige
museumseigene Ausstellungs-Design, die optisch professionelle Gestaltung
von Veranstaltungen umfaßt. Erst dann, wenn diese Elemente von der
Museumsleitung zu einer korporativen Gesamtkonzeption
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zusammengeführt werden, bilden sie ein sinnvolles Ganzes: eine
Corporate Identity für das Museum. Sie verdeutlicht etwas, was mancherorts
de facto schon seit langem verwirklicht ist, andernorts aber noch als beachtliches
Defizit in der Zusammenarbeit und der zielgerichteten gemeinsamen Entfaltung
aller beteiligten Kräfte, einschließlich der Museumspädagogen,
zu verzeichnen ist.
Museale Vermittlungsstrategien im museologischen, professionellen Sinn
knüpfen an verschiedene wissenschaftlich fundierte Erfahrungsfelder
an, so zum Beispiel in der Kommunikations-, Erziehungswissenschaft (Öffentlichkeitsarbeit
/ Werbung. Bildungs- und Lerntheorie u.a.). in der Kultursoziologie (Evaluation,
Besucherforschung), in der Wirtschaft (Marketing, Public Relations), in
den klassischen Fachwissenschaften (deren Fachdidaktik), um nur einige
zu nennen.
Diesem Anforderungsprofil entsprechen in Leipzig Lehrangebote nach folgender
Übersicht:
Der Praxisbezug der Ausbildung wird insbesondere auch durch Praktika
gewährleistet. Während des Diplom-Studienganges sind mehrere
Praktika vorgeschrieben:
– ein Archivpraktikum (drei Wochen am Ende des 3. Semesters
möglichst vor Ort),
– Allg. Museumspraktikum (u.a. zur musealen Vermittlung)
– Dokumentationspraktikum
– Grabungspraktikum
– Spezialpraktikum (vier Wochen im 7. Semester nach freier Wahl der
Studenten)
– Fakult. Auslandspraktika (auf bes. Wunsch v. Stud./nach Vereinb.
d. Hochschule). |
insgesamt
26 Wochen im
5. Semester |
Die spezifischen Aufgaben musealer Vermittlung sind in der Praktikumsausbildung
nach Absprache der wissenschaftlichen Mentoren und Museumsdirektoren fest
integriert, so vor allem beim Allgemeinen und beim Spezialpraktikum. Die
leistungsorientierte vollständige und erfolgreiche Absolvierung der
Praktika ist Voraussetzung für die Zulassung zu den museologischen
Diplomprüfungen.
Unter den möglichen Praktikumsstätten in Deutschland empfiehlt
sich nicht zuletzt der Hochschulort Leipzig. Vorteilhaft erweist sich die
Vielfalt unterschiedlicher Museumsgattungen in Leipzig – mit Museen für
Ägyptologie,
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Kunst (Gemälde und Plastik), Kunsthandwerk, Musikinstrumente, Naturkunde,
Industrie- und Technikgeschichte, Buch und Schrift, Stadtgeschichte, Memorialmuseen
und Gedenkstätten (Völkerschlacht-Denkmal, "Runde Ecke"). Das
weitgespannte Spektrum der Museumsgattungen und ihrer Sammlungen bietet
zweifellos außergewöhnliche Chancen einschlägiger, praxisorientierter
Ausbildung vor Ort. Erwähnenswert ist dazu ebenso die Tradition musealer
Vermittlung in Leipzig' mit bürgerlichen, öffentlich zugänglichen
und sogar mit Katalog versehenen Sammlungen bereits im 18. Jahrhundert!
So konnte sich in Leipzig wie in kaum einer anderen deutschen Stadt
über Jahrhunderte eine museums- und bildungsfreundliche Atmosphäre
entwickeln, die der Museologen-Ausbildung heute zu Gute kommt. Außerdem
bieten sich vielfältige Impulse für berufsspezifische Reflexion
und Erfahrungsaustausch, das heißt auch für museologische Forschung,
schließlich für Angebote einschlägiger Fort- und Weiterbildung.
Erneut zeigt sich der besondere Charakter des Hochschulortes mit außergewöhnlich
günstigen Rahmenbedingungen für museologische Studien und deren
Vermittlung.
Arnold Vogt
Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur, Leipzig, Institut
für Museologie
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