Gedenkstätten im Wandel
Teil 2: 1933 bis heute
Arnold Vogt. Prof. Dr. Arnold Vogt,
lehrt an der Hochschule für Technik in Leipzig.
Gab es unter den Kriegerdenkmälern und Gedenkstätten der Weimarer
Zeit insgesamt noch verschiedene Intentionen – Erinnerung und Trauer um
die Toten, Rechtfertigung, Revision der Kriegsniederlage und Revanche,
so erfolgte mit der nationalsozialistischen »Machtergreifung«
1933 ein grundlegender Wandel.. Die neue Richtung öffentlicher nationaler
Erinnerung wurde besonders deutlich beim »Tag von Potsdam«
am 21. März 1933, als der Reichstag in der Garnisonskirche von Potsdam
neu eröffnet wurde. Das Reichstagsgebäude war in Brand gesetzt
worden, so daß ein Ersatzgebäude zu beschaffen war. Die Wahl
einer Garnisonskirche war dabei kein Zufall, ermöglichte sie doch
eine »Ehrerbietung« der national-deutschen Volksvertretung
vor den alten militärisch-»christlichen« Werten. Die Potsdamer
Garnisonskirche mit der Grablege preußischer Könige, vor allem
Friedrichs des Großen, war eine der wichtigsten Gedenkstätten
nationaldeutscher militärischer Tradition. Dies wurde von den Nationalsozialisten
für die eigene Propaganda mißbraucht, denn die Versammlung der
Volksvertretung ging einher mit katholischen und evangelischen Gottesdiensten,
währenddessen Hitler die Gräber seiner verbrecherischen Kampfgenossen
aufsuchte, um so eine Aufwertung der ermordeten Parteigenossen zu erreichen.
So erschienen sie gleichrangig »geehrt«, mit den Gefallenen
des Ersten Weltkrieges. Hitler und seine Parteigenossen verwandten die
Potsdamer Szenerie dazu, eine scheinbar deckungsgleiche Harmonie vorzutäuschen
zwischen preußisch-deutscher Militärtradition, das heißt:
national-deutschem Wesen und dem Nationalsozialismus. So degradierten sie
die militärische Tradition Preußens an einer der bedeutendsten
Gedenkstätten, der Potsdamer Garnisonskirche, zu einer Statistenfunktion,
nachdem der demokratischen zivilen Tradition circa neun Monate zuvor im
»Preußenschlag« die Macht entzogen worden war.
Indienstnahme durch den Nationalsozialismus
Mit dem fortschreitenden Machtverlust demokratischer Institutionen schien
die althergebrachte militärisch-zivile Gegenüberstellung von
National- und Kriegerdenkmälern einerseits, der Volksvertretung andererseits
nicht mehr zeitgemäß. ...
(3 Seiten, 3 Abb.)
Ehrenmäler, Opfer- und Mahnmäler seit dem bundesdeutschen
Neubeginn
Nach dem völligen politischen und militärischen Zusammenbruch
Deutschlands und der deutschen »bedingungslosen Kapitulation«
übernahmen die alliierten Siegermächte die Regierungsgewalt.
Sie befaßten sich ausdrücklich auch mit der öffentlichen
Tradition und widmeten ihr eigens eine Direktive unter dem 13. Mai 1946
zur »Beseitigung deutscher Denkmäler und Museen militärischen
und nationalsozialistischen Charakters«. ...
(1 Seite, 1 Abb.)
Für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft
Nach der Gründungs- und Wiederaufbauphase in Deutschland in den
fünfziger Jahren verlangten grundlegende Fragen des öffentlichen
Totengedächtnisses, die bisher unentschieden geblieben waren, eine
verbindliche Regelung. Es waren im wesentlichen drei Fragen:
1. War die einfache bundesdeutsche Fortführung der Weimarer Krieger-»Ehrung«
überhaupt noch zeitgemäß?
2. Waren die unterschiedlichen Totengruppen gleichermaßen mit
öffentlicher Aufmerksamkeit und »Ehre« zu bedenken?
3. Gab es überhaupt eine übergreifende gemeinsame Sinnperspektive
für ihren Tod? ...
(4 Seiten, 1 Abb.)
Die Weizsäcker-Rede von 1985
War es angesichts solcher schwerwiegender Gegensätze überhaupt
noch möglich, der unterschiedlichen Gruppen unter den (deutschen)
Kriegstoten in einem gemeinsamen ganzheitlichen Würderahmen zu gedenken?
Dies war zwar vom bundesdeutschen Gesetzgeber Anfang der sechziger Jahre
beschlossen, bisher jedoch nur in pauschalierenden Inschrifttafeln und
wenigen religiösen Denkmälern gelungen, ansonsten aber in unüberwindbare
Schwierigkeiten geraten. Dazu äußerte sich Bundespräsident
Richard von Weizsäcker grundlegend in einer Ansprache zum vierzigsten
Jahrestag »der Beendigung des Krieges in Europa und der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft« 1985. Er konfrontierte den Deutschen Bundestag
erstmals mit einer differenzierenden Erwähnung der Kriegstoten und
Opfer. ...
(1 Seite, 1 Abb.)
Zusammenfassung
... Angesichts der komplexen Fragen moderner Denkmalskonzeption wurden
gelegentlich Zweifel laut, ob die Zeit der Kriegerdenkmäler und Mahnmäler
nicht längst überwunden sei. Ich vertrete diese Ansicht nicht.
Die heftigen öffentlichen Auseinandersetzungen beweisen die aktuelle
Bedeutung. Moderne Gedenkstättenarbeit verlangt freilich auch die
professionelle, museale Aufbereitung. Öffentlicher Schutz der authentischen
Orte ist erforderlich. Nur das schafft gesicherte Rahmenbedingungen für
Erinnerung, für Austausch und für den Dialog der Betroffenen
— von »Tätern« und »Opfern«. Denn das sind
die beiden zukunftsweisenden Funktionen moderner Gedenkstätten: Raum
zu geben für individuelle Erinnerung und Betroffenheit, und beizutragen
zu rationaler Konfliktbewältigung und umfassender Aufklärung.
Literatur, Bildnachweis
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