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Arnold Vogt
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 Wegweiser am Rande -
 Rückblick auf ein Leipziger Studienprojekt
 in: Freckenhorster Heimatverein e.V. (Hg.),  Freckenhorst, 
 Schriftenreihe des Freckenhorster Heimatvereins, 
 Heft 14 • Mai 1999, S. 88 - 93
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Arnold Vogt
Wegweiser am Rande - 
Rückblick auf ein Leipziger Studienprojekt
Ausstellung im Museum Abtei Liesborn und Publikation eines ausführlichen Kataloges als Ergebnis mehrmonatiger erfolgreicher Zusammenarbeit des Freckenhorster Heimatvereins mit dem Studiengang Museologie der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig (HTWK Leipzig) und dem Museum Abtei Liesborn.

Über christliche Kunst im öffentlichen Raum recherchierten Museologie-Studierende der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig - HTWK Leipzig - vom März 1997 bis zum Januar 1998. Insgesamt 60 Werke christlicher Kunst untersuchten die Museologen Almut Storch und Frank Wündsch u. a. anhand einschlägiger Fachliteratur, aufwendiger Umfragen innerhalb der Bevölkerung 1 und in Felderkundungen vor Ort. Ihre Arbeitsergebnisse wurden in einem Katalog 2 und in einer Ausstellung im Museum Abtei Liesborn aufbereitet – mit ausgewählten Fotos und qualitätvollen originalen Kunstwerken 3.

(Abbildung: Beratung der Projektgruppe mit Dr. Priddy am 15. Juni 1997) 

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Die älteren Objekte stammen zumeist aus säkularisierten Kirchen und Klöstern. In den napoleonischen Wirren wurden sie durch private Initiativen einer neuen Bedeutung zugeführt als Teil einer frommen Stiftung. Mancherorts überdauerten sie ein längeres Intermezzo auf einem Dachboden, bevor sie Teil eines neuerrichteten Standbildes, eines Bildstocks oder Wegekreuzes wurden. Es sind zumeist private, bäuerliche Stiftungen, die aus familiärem oder religiösem Anlaß errichtet wurden - zum Beispiel die Geburt eines Hoferben, Heirat, aber auch Unglücksfälle, Tod, Krieg oder Naturkatastrophen. Die entstehungsgeschichtliche Komplexität der älteren Objekte schließt eine unzweideutige Klassifikation aus. Was ist überhaupt ein „Bildstock"? Was ist ein „Wegekreuz"?

Eine aufschlußreiche Antwort bietet das Herder-„Lexikon der Kunst": „Bildstock (auch Betsäule, Marterl, Marterbild), ein an Wegen stehendes religiöses Wahrzeichen, das aus einem Pfeiler aus Holz oder Stein mit einem tabernakel- oder laternenartigen Aufbau besteht und mit einem Kruzifix, Szenen aus der Leidensgeschichte Christi oder Heiligendarstellungen geschmückt ist..." Es unterscheidet als Hauptgruppen: 
Bildtafeln mit aufgemaltem Bild bzw. eingeritzter Inschrift, den Bildstock aus Holz oder Stein, der auf einem reich verzierten Sockel einen Pfeiler oder eine Säule mit einem Aufsatz in Form einer Ädikula, eines Tabernakels oder einer Laterne trägt, sowie
Passionssäulen, als Nachbildungen der Geißelsäule Christi, die vor allem süddeutschen Dreifaltigkeits-, Marien- und Pestsäulen, altarartige Bildstöcke, besonders in Unterfranken vertreten, und Heiligenhäuschen, gebräuchlich an Wallfahrtswegen 4.

Diese weitgefaßte Definition entspricht dem, was etwa vier Jahrzehnte zuvor bereits ausführlich von Otto Schmitt bestimmt worden war 5. Nach solcher vorherrschender Terminologie erweisen sich auch Hochkreuze und ebenso „freistehende" Kruzifixe als Sonder- oder Unterform des „Bildstocks". In einigen Regionen wurden die formale Unterschiede von Mariensäulen, „altarähnlichen Bildstöcke" oder Standbildern bis zur Unkenntlichkeit verwischt, so daß die verschiedenartigen Objekte einfach als „Bildstöcke" firmieren 6. Andernorts erscheint sogar das Kreuz als die bevorzugte Form des „Bildstocks", „...vorzugsweise der an öffentlichen Wegen aufgestellte Cruzifixus genannt" 7. Die Zuordnung wird zusätzlich erschwert durch den Umstand, daß die Objekte aus Teilen verschiedener Stilepochen bestehen, deren zeitliche Zuordnung aber auf Grund des mehrfachen Funktionswandels, regionaler und lokaler Verschiebungen, von Ergänzungen und Umgestaltungen fragwürdig erscheint. Teils läßt sich der Ursprung der Objekte auch nur vermuten, da lediglich eine private, mündliche Überlieferung besteht, und

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keine verläßlichen schriftlichen Quellen vorliegen. Diese Unsicherheit besteht bei fast allen Objekten, ausgenommen die Stiftungen der jüngsten Zeit. Aufschlußreich ist zum Beispiel die „Heimsuchung"-Gruppe bei der Hofzufahrt Borgelt, Gronhorst 5, an der Hoetmarer Straße. Vermutlich städtisch klösterlichen Ursprungs aus der Mitte des 18. Jahrhunderts, gelangte sie erst später im 19. Jahrhundert in bäuerlichen Besitz, wurde dann als Teil eines Bildstockes neu errichtet und in jüngster Zeit auf einem rohen Steinsockel frei (ohne das für Bildstöcke so typische Gehäuse) aufgestellt 8. So gesehen konnte bei der „Heimsuchung" nur zeitweilig - im 19. Jahrhundert bis zur letzten Umgestaltung - von einem „Bildstock" im engeren Sinn die Rede sein. Entstehungsgeschichtlich gehörte die „Heimsuchung" in einen anderen Zusammenhang. Erst der Funktionswandel im Kontext der bäuerlichen Stiftung verlieh der Figurengruppe die Bedeutung als Teil eines Bildstockes, indem ein qualitätvolles städtisch klösterliches Kunstwerk in den Rahmen ländlicher Volkskunst gelangte. Auf Grund solcher Verknüpfung von städtischer Bildhauerkunst und ländlicher Volkskunst war bei münsterländischen Bildstöcken gelegentlich sogar von einer „Mischkunst" die Rede: „Bei der Betrachtung der Denkmäler ... machte sich ein Ineinanderwirken beider Elemente, die Entwicklung des einen Typs aus dem anderen und das Entstehen von Zwitterbildungen bemerkbar" 9, schließlich wurden sie auch als „Wegbilder" bezeichnet.

So lassen sich formale, kunsthistorische, aber auch entstehungsgeschichtliche Gründe benennen, die eine präzise Klassifikation der Objekte erschweren, und jeder Versuch einer Beschreibung wird sich zwangsläufig dem Vorwurf aussetzen, entweder religiöse, künstlerisch-ästhetische, kultur- oder regionalgeschichtliche Aspekte zu stark oder zu schwach zu berücksichtigen. In den einschlägigen Publikationen ist immer wieder das Bemühen zu erkennen, die Vielfalt der Objekte unter einen „Überbegriff" zusammenzufassen - als „Wegbilder", „Wegdenkmäler" 10, Wegweiser oder auch Bildstöcke und Wegekreuze. Allem gemeinsam ist durchweg der Kontext einer religiösen, privaten Stiftung im öffentlichen Raum: an Straßen, öffentlichen Plätzen, an Hof-Einfahrten, (öffentlich sichtbaren) Gebäude-Fassaden.

Im Überblick spiegeln die Objekte die Frömmigkeitsgeschichte der Region. Dies gilt für den überwiegend persönlichen bzw. halb privaten, halb öffentlichen Charakter der Stiftungen 11, aber auch für die Bonifatiusfigur und das Kriegergedächniskreuz am Kirchplatz, überhaupt bei Maßnahmen des Denkmalschutzes die bei der Stadtbildgestaltung 12 zustande kamen, zuletzt mit „Fels Beld" an der Buddenbaumstraße und der Josefsfigur am Josefskindergarten. Beachtlich ist dabei die Dominanz bestimmter Szenen, so zum Beispiel die Szenen der hl. Familie und Kreuzigung, die wohl am häufigsten

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(Abbildung: Die Figur der heiligen Thiatildis am Groneweg, die der Heimatverein ... restaurieren wird. Foto: 1978)

erschienen 13. Zu den ältesten Motiven gehören die Vesperbilder: die Szene der schmerzerfüllten Maria, die ihren toten Sohn in den Armen hält. Deren Verbreitung mag noch verstärkt worden sein durch die Nähe des Telgter Gnadenbildes. Auch die anderen Mariendarstellungen, zum Beispiel die Schmerzensmutter, Mondsichel-Madonna, sowie das seltenere Motiv des Kreuztragenden Christus entstammen ursprünglich den Passionsszenen von denen sie allmählich losgelöst und verselbständigt wurden. Ähnlich waren einzelne Heilige unter dem Einfluß der franziskanischen Volksmission beliebt und schließlich hat sich sogar ein Beispiel für die Lourdes-Verehrung in der Mariengrotte beim Altenwohnheim zum Heiligen Kreuz erhalten. Sicher ist, daß Wegekreuze und Bildstöcke ein besonderes Profil des Münsterlandes bilden. Ähnlich den „Marteln" in Österreich und anderen katholi- 

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schen Alpenregionen sowie anderer christlich katholisch geprägter Landschaften in Italien, Slowenien und Polen sind sie Teil der Volkskultur.

Das Freckenhorster Projekt fügt sich in eine Serie von Maßnahmen zur Erhaltung der Bildstöcke und Wegekreuze. In Ausstellungen wurden sie bisher aber erstaunlich wenig berücksichtigt. So wurde mit dem Studienprojekt ein neuer Weg beschritten, den der Freckenhorster Heimatverein, mit über 600 Mitgliedern einer der stärksten Verbände seiner Art in Deutschland, maßgeblich unterstützte (Bereitstellung von Umfrage-Ergebnissen aus der Bevölkerung, Finanzierung des Studienprojekts, fotografische Erfassung der Objekte durch Jürgen Meister). Es war der Heimatverein, der eine Anfrage an die Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig richtete. Das Museum Abtei Liesborn bot dazu die Möglichkeit einer Sonderausstellung an. Trotz 500 km Entfernung zwischen den Beteiligten war die Zusammenarbeit von Hochschule, Verein und Museum für das Thema besonders sinnvoll: Die Kreuzsammlung des Museums Abtei Liesborn - einzigartig in Deutschland - ermöglichte eine hervorragende fachliche Einbindung der Projektaufgabe in museologische und berufspraktische Anforderungen. Mit dem Ausstellungsprojekt der HTWK Leipzig wurden zudem neue Wege erschlossen, weil das Thema bisher vorwiegend „nur" in Publikationen behandelt worden war, nun auch in einer Museumsausstellung aufbereitet wurde.

Ein wichtiges Anliegen der Ausstellung war es, das Bewußtsein für den Wert dieser Objekte in der Öffentlichkeit zu fördern. Es galt, sie im übergreifenden kulturgeschichtlichen Zusammenhang zu würdigen, doch ebenso auf den Bedeutungswandel der Wegekreuze und Bildstöcke und auf ihren umweltbedingten Verfall hinzuweisen. Heute dienen Bildstöcke und Wegekreuze über den bloß privaten Rahmen hinaus, zum Beispiel der Stadtbildgestaltung, sie sind in den Schutz der öffentlichen Denkmalpflege übernommen. Neuere Stiftungen aus jüngster Zeit belegen ihre aktuelle Bedeutung (vgl. auch die Madonnenfigur mit Kind an der Fassade der Böselagerschen Kurie) 14.

Diese Bedeutung spiegelte sich auch in der Resonanz allein zur Ausstellungseröffnung am 17. Januar 1998 mit mehr als 150 Besuchern, darunter auch einige aus Leipzig, und mit ca. 20, auch überregionalen Presseberichten. Zur Einführung sprachen der Landrat des Kreises Warendorf, Franz Josef Harbaum, und Museumsdirektor Dr. Bennie Priddy über die außergewöhnliche und sehr erfolgreiche Kooperation mit den Leipziger Museologen. Ergänzende wissenschaftliche Aspekte erläuterte der Projektleiter. Durch die Sonderausstellung, die bis zum 8. März geöffnet war, führten die beiden Museologie-Studierenden. Daran anschließend stellte Museumsdi-

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rektor Dr. Priddy die Kreuzsammlung vor, so daß eine vergleichende Betrachtung von Sonder- und Dauerausstellung möglich war. Für die Studierenden bot sich so eine gute Chance, wichtige Schritte von Ausstellungsplanung und Katalogerstellung nach Theorie und Praxis zu erarbeiten - von der ersten Projektidee über fachwissenschaftliche Recherchen, die Verhandlungen mit den Partnern, die Gestaltung von Drehbuch und Katalog bis hin zur Ausstellungseröffnung, Werbung und Öffentlichkeitsarbeit. Ein „Idealfall" für die Anliegen und die Bildungsaufgabe des Museums, so Bennie Priddy. Auch in der Folgezeit war die Präsentation weiterhin gut besucht.
 

Anmerkungen:
1 Seit über zehn Jahren hatte der Freckenhorster Heimatverein aufwendige Umfragen in der Bevölkerung unternommen anhand eines Fragebogens über Stiftung(smotive), Gestaltung, Errichtung, spätere Umsetzung, Umwidmung oder Neugestaltung der Bildstöcke und Wegekreuze in Freckenhorst.
2 Freckenhorster Heimatverein e.V. / Friedel Rose (Hg.), Freckenhorst, Katalog zur Ausstellung „Wegweiser am Rande - Bildstöcke und Wegekreuze in Freckenhorst", Heft 13: Schriftenreihe des Frekkenhorster Heimatvereins, Freckenhorst 1998, im Folgenden zitiert als Katalog...
3 Vier originale Objekte waren ausgestellt: der Corpus des ältesten Hofkreuzes und drei Statuen; vgl. Katalog, Nr. 1 und 33, S. 8-10.
4 Wolf Stadler (Ges.-Ltg.), Lexikon der Kunst in 12 Bänden, Band 2, Freiburg/Breisgau 1987, S. 177
5 Otto Schmitt (Hrsg.), Reallexikon zur deutschen Kunstgeschichte, Band 2, Stuttgart 1948, Sp. 699702
6 Egon Ahlmer und Dieter Halemba, Bildstöcke und Wegekreuze in Ahlen, Ahlen 1987. - Dies., Bildstöcke und Wegekreuze in Sendenhorst, Ahlen 1988. - Dies., Bildstöcke und Wegekreuze in Drensteinfurt, Ahlen 1990. - Gerhard Liedtke, Bildstöcke und Wegekreuze in Paderborn, Paderborn 1993.
7 J. Reimers, Handbuch für die Denkmalpflege, hg. von der Provinzial-Kommission zur Erforschung und Erhaltung der Denkmäler in der Provinz Hannover, 2. Auflage Hannover 1911, Reprint: Leipzig (1996), S. 151.
8 Katalog, Objekt-Nr. 7.
9 Stolte-Adelt, Wegbilder der Barockzeit im Münsterland. Ein Beitrag zur Geschichte der volkstümlichen Plastik Westfalens. Lebensräume der Kunst - eine Studienfolge: Heft 4, Wattenscheid 1936, S. 53.
10 Ludger Böckenhoff, Vorwort, in: Kath. Pfarrgemeinde Ss. Cosmas und Damian Liesborn (Hg.), Zeichen des Glaubens am Wege in der Pfarrgemeinde Ss. Cosmas und Damian Liesborn, Liesborn 1996, S. 3.
11 Vgl. Katalog-Nr. 4, 9, 10 sowie die insgesamt 19 Kreuze. Vgl. auch beispielh. Stiftungen des Fürstbischofs Christoph Bernhard von Galen sowie reicher Bauern im Münsterland (vgl. Stolte Adelt, Wegbilder der Barockzeit im Münsterland. Ein Beitrag zur Geschichte der volkstümlichen Plastik Westfalens. Lebensräume der Kunst - eine Studienfolge: Heft 4, Wattenscheid 1936, S. 11, 15ff, 26-37).
12 Vgl. jüngste Nauaufstellung des Bildstocks „Fels Beld" / Pressebericht in: Die Glocke, Lokales vom 8.7.1998. Weitere Beispiele Katalog-Nr. 3, 5, 6, 8, 9, 12, 21, 39, 42, 44, 45, 47, 49, und II.
13 Stolte-Adelt, Wegbilder der Barockzeit im Münsterland. Ein Beitrag zur Geschichte der volkstümlichen Plastik Westfalens. Lebensräume der Kunst - eine Studienfolge: Heft 4, Wattenscheid 1936, S. 47.
14 Bekrönte Mondsichel-Madonna mit dem Jesuskind auf der Linken um 1880, Sandstein, 112 cm. Das Kind trägt einen Globus, unterstützt von der Rechten Mariens. Da die Madonnenfigur nicht originär aus Freckenhorst stammte, wurde sie nicht in den Katalog aufgenommen. Nach Ausweis einer Bronzetafel am Haus: „Madonna, um 1880, aus dem Nachlaß von Dr. Sandforth, der in diesem Hause von 1938 bis 1958 wohnte. Freckenhorster Heimatverein Sommer 1988". Die Madonna entstammt dem Schloß Westerwinkel und gelangte später in den Besitz von Wilhelm Sandforth, dem ersten Diözesankustos im neugegründeten Ruhr-Bistum Essen.

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