Arnold Vogt
Die
Gegenreformation im Paderborner Land
Westfalen im Bild,
eine Bildmediensammlung zur westfälischen Landeskunde
herausgegeben im
Auftrag des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe
von Wolfgang Linke,
Schriftleitung Hermann-Josef Höper
Reihe: Historische
Ereignisse in Westfalen, Heft 3, Landesbildstelle Westfalen
Münster 1988,
51 Seiten und 12 Dias, ohne ISBN, ohne ISSN
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Inhaltsübersicht |
Bilder
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.Einleitung
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1.
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Bischofsamt und Staatskunst
- erster Versuch einer Gegenreformation |
Herrscherporträt Johanns II. von
Hoya |
2.
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Betonung des Bischofsamtes im Rahmen der
Staatskunst,
höfischer Repräsentation und
ständisch-familiärer Herkunft,
- endgültige Wender zur Gegenreformation |
Herrscherporträt Dietrichs IV. von
Fürstenberg |
3.
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Wechselbeziehungen von Familien- und Kirchenpolitik
im Dienst der Gegenreformation |
Ahnenauszug Fürstenberg |
4.
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Höfische Repräsentation und
Machtentfaltung
der Landesherren |
Residenzschloß Neuhaus |
5.
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Machtverhältnisse in Stadt
und Bürgertum Paderborn |
Rathaus / Markt Paderborn |
6.
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Innerkirchliche Reform:
Schulreform und Universitätsgründung |
Jesuitenkolleg und Universität Paderborn |
7.
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Ausbau der landesherrlichen Macht |
Wewelsburg |
8.
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(Innerkirchliche) Demonstration katholischer
bischöflicher
Autorität und ständisch-familiärer
Tradition |
Grabmals des Fürstbischofs Dietrich
von Fürstenberg |
9.
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Herzog Christian von Braunschweig
- eine Chance für den Protestantismus
in Paderborn? |
Herrscherporträt Christians |
10.
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Protestantische Staats-Münzpropaganda |
Christianstaler (auf einem niederländischen
Flugblatt,
aus dem Silber des geraubten Libori-Schrein) |
11.
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Bekräftigung der Gegenreformation
durch die Stiftung eines
neuen Libori-Schreins
- im Zusammenhang von Landes-, Kirchen-
und Familienpolitik |
Libori-Schrein |
12.
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Baugeschichtliche Demonstration gegenreformatorischer
Kraftentfaltung im Paderborner Land |
Jesuitenkolleg Büren |
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Literatur |
nach
oben
-6-
Einleitung
Das Thema der Diaserie ist auf das „Paderborner
Land" bezogen. Es erwies sich innerhalb des westfälischen Raums seit
Jahrhunderten als ein beständiger kulturgeographischer Faktor. Es
handelt sich um ein Gebiet in Grenzen, die sich im wesentlichen seit der
Wende vom 12. zum 13. Jahrhundert mit der Errichtung eines kölnischen
„Stadt"- /Festungsgürtels um das Bistum Paderborn, von geringen Veränderungen
abgesehen, erhalten haben und im wesentlichen der Fläche des heutigen
Landkreises Paderborn entsprechen.1
Im westfälischen Raum hatten die Niederlande einschließlich
des Niederrheins einen dominierenden geistig-kulturellen, sozialen, wirtschaftlichen
und politischen Einfluß.2
Dies gilt vor allem für Köln als eine der größten
europäischen Städte, als eine der ältesten Universitäten
- im mittelalterlichen Norddeutschland einzige Universität -, als
mächtiges Handelszentrum, als Erzbistum sowie als Kurfürstentum
des Reichs. Es war „der wichtigste geistliche Staat des nordwestlichen
Deutschlands3"
und hatte eine Schlüsselstellung zwischen den „Niederlanden" und Norddeutschland.
Die „Niederlande" waren damals ein Zentrum moderner
Gelehrsamkeit, das bedeutendste Handels- und Gewerbegebiet Europas mit
über 200 Städten, wo 50 % der Welthandelsgüter umgeschlagen
wurden. Sie brachten der spanischen Krone das siebenfache an Steuern wie
das Silber der Kolonien in Amerika. In den sieben nördlichen Provinzen
der „Niederlande" breitete sich der Calvinismus seit 1560 aus und band
Adel, Bürger und Bauern ungeachtet der „ständischen"(a)
Unterschiede zu einem festen, einheitlichen Block zusammen, je stärker
die habsburgischen Spanier die Reformation bekämpften. Das unduldsame,
gewaltmäßige Vorgehen des habsburgischen Königs Philipps
II. von Spanien gegen die „ständischen"(a)
Privilegien seit 1568 und die Blutjustiz gegen die Grafen Egmont und Hoorn
waren der Ausgangspunkt des sogenannten 80jährigen Krieges (1568 -
1648), des Niederländischen Freiheitskampfes. Er brachte die Unabhängigkeitserklärung
der protestantischen Provinzen, die 1648 im „Westfälischen Frieden"
als „Republik" auch international anerkannt wurden.
(a)
Die Stände bildeten sich aus Adel (landtagsfähige Rittergüter)
und Geistlichkeit sowie Teilen des städtischen Bürgertums und
hatten entscheidenden Anteil an der Landes-Herrschaft, vor allem auf Grund
des Steuerbewilligungsrechts. Darauf beruhte der eigentümliche Dualismus
zwischen Land-Ständen und Landes-Herren/-Fürsten, die sich jeweils
als eigenständige Kräfte und Konkurrenten verstanden.
Wer gegen die Spanier kämpfte, der mußte
früher oder später mit der Reichspolitik der habsburgischen Kaiser
in Konflikt geraten. Die Habsburger hatten außer dem Kaisertum das
religions- und machtpolitische Erbe der Spanier übernommen. Sie betrachteten
Einheit und Stärke im katholischen, „rechtmäßigen" Glauben
als unerläßlich für einen erfolgreichen Kampf gegen den
Islam: in Spanien gegen die Mauren und gegen die Juden, in Ungarn gegen
die Türken. Von der Reformation, insbesondere vom Calvinismus in den
Niederlanden befürchteten die Habsburger eine Schwächung ihrer
weltpolitischen Machtstellung gegen den Islam. Die ständige Bedrohung
durch die Türken, aber auch durch Frankreich, England - und den Papst
(!), die die
-7-
konfessionspolitischen Spannungen für ihre Machtinteressen nutzten,
sowie der schwelende, unentschiedene Kampf in den Niederlanden verlangten
wiederholtes Nachgeben und Kompromisse. So mußte Kaiser Ferdinand
I. bereits 1555 den „Augsburger Religionsfrieden" mit den Reichs-Ständen
hinnehmen, der die reichsrechtliche Anerkennung des lutherischen Bekenntnisses
(neben dem katholischen) brachte. Die Reichs-Stände erhielten das
Recht der freien Konfessionswahl, der die Untertanen zu folgen hatten (Cuius
regio, eius religio) oder durch Auswanderung entgehen konnten. Geistliche
Fürsten sollten beim Übertritt zum protestantischen Glauben Amt
und Würde verlieren (Geistl. Vorbehalt)4.
Allein unter diesen „Friedens"-Bedingungen waren die Reichs-Stände
bereit, dem Kaiser militärische Hilfe gegen die Türken zu gewähren.
Bot der „Augsburger Religionsfriede" nicht ebenso Ansätze für
einen Interessenausgleich und eine Verständigung? Darauf hofften damals
noch Vertreter beider Konfessionen. Insbesondere eine Reform von Kirche
und Reich sollte den vielfältigen Mißständen ein Ende bereiten.
Seit der Mitte des 15. Jahrhunderts waren immer wieder die „Gravamina nationis
germanicae" (Beschwerden der deutschen Nation) auf Flugschriften, Reichs-
und Landtagen vorgetragen -gegen den Reichtum und den Großgrundbesitz
der Kirche, die willkürliche Verteilung einkünftereicher „Pfründe"(a)
in der Römischen Kurie(b), gegen den
Mißbrauch der Pfründe zur Versorgung des hohen, theologisch
ungebildeten Adels anstatt zur materiellen Sicherung der Seelsorge(c),
gegen die Verrechtlichung der kirchlichen Heilmittel (vgl. u. a. den Ablaßhandel(d))
und gegen das unübersichtliche scholastisch-theologische Formelunwesen.
Mit diesen Klagen verbanden sich sozialrevolutionäre Unruhen, so im
Bauernkrieg 1524/25. Die eigentümliche Verquickung reichs- und sozialpolitischer
Gegensätze mit theologischen Kontroversen verschärfte die Spannungen.
Dabei erreichten Luthers Angriffe gegen einzelne Mißstände,
gegen Dogmen, Verfassung und Brauchtum in der Kirche eine ungewöhnliche
Verbreitung. Er brachte zum Ausdruck, was viele Zeitgenossen dachten und
fühlten „... eine sehr starke, allgemeinste und gefährliche Unzufriedenheit
mit den herrschenden Zuständen und weithin eine starke Erregtheit
... und dementsprechend die allgemeine und schon ungestüme Forderung
nach einer Reform. Tatsächlich wurde die lutherische Reformation,
die sich zu einer Aufkündigung der bisherigen Lebensordnung auswuchs,
Ventil für all dies. Aber am entscheidenden Punkte,
(a) Pfründe waren eine
nutzungsfähige Vermögensmasse (z. B. Angaben, Steuerrechte zu
Grundbesitz o. ä.), die auf Dauer einem Kirchenamt zu dessen Gewährleistung
oder Ausübung zugewiesen war. Die reichen Pfründe, z. B. Pfarreien,
Domkapitel, waren dem Adel oder dem gelehrten Bürgertum vorbehalten.
In der Ausübung der kirchlichen Aufgaben ließen sich die Pfründeninhaber
in der Regel vertreten.
vgl. Hömberg, Landesgeschichte, S. 223
(b) Die päpstliche
kuriale Vergabe der Pfründe fand Gegner im Adel und im Bürgertum,
weil sie willkürlich ohne „deutsche", regionale Interessen erfolgte
und in der Regel das Bürgertum ausschloß. vgl. Franzen, August,
Bischof und Reformation, S. 29 - 35
(c) Die reichen Pfründe
wurden in der Praxis primär zur standesgemäßen Versorgung
des Hochadels genutzt anstatt zur geistlichen Amtsausübung, die von
einem Vertreter, zum Beispiel einem (bürgerlichen) „Vikar" wahrgenommen
wurde.
(d) Der „Ablaß" gewährte
den Nachlaß zeitlicher Sündenstrafen und wurde vielerorts gegen
Geld verkauft.
-8-
nämlich gegenüber der Kirche als der tragenden Kraft im Mittelalter,
wird die Reformforderung in besonderer Schärfe (von Luther, d. V.)
geäußert, und hier entwickelt sie besondere Sprengkraft, die
ihrerseits wieder besonders weit trägt."5
Freilich ließen sich die komplexen politischen Schwierigkeiten
nicht auf einen theologischen Streit um Luthers Lehren verkürzen,
so daß eine bloße Verurteilung Luthers (Disputationen mit Kardinal
Kajetan und Johannes Eck, Exkommunikation(a) 1520) nicht ausreichte, um
die Unruhen zu beheben. Ohnehin wurden die komplizierten Auseinandersetzungen
der Theologen von der ungebildeten Bevölkerungsmehrheit und von vielen
geistlichen, theologisch unerfahrenen Fürsten gar nicht verstanden.
So hoffte Kaiser Karl V. auf das Einlenken Luthers und lud ihn - trotz
päpstlicher Exkommunikation(a) - 1521
vor den Reichstag in Worms. Nie zuvor hatte ein einzelner, einfacher Mensch
- ohne Sitz und Stimme unter den Reichs-Ständen - vor dem Reichstag
sprechen dürfen! Luther kam in der unsicheren, vagen Erwartung, an
höchster Stelle seine Lehren erklären und verteidigen zu können.
Doch anstatt einer Anhörung mußte er sich einem Verhör
unterziehen. Er bat um Bedenkzeit, verweigerte aber die Zurücknahme
seiner Schriften, die als Irrlehre und Ketzerei verworfen wurden. So fiel
er durch das damals publizierte „Wormser Edikt" unter die Reichsacht(b).
Als der Kaiser nach langwierigen politischen Bedenken das Edikt unterzeichnete,
war die Mehrzahl der Reichs-Stände bereits abgereist. Nur Kurfürst
Joachim von Sachsen erklärte im Namen aller seine ausdrückliche
Zustimmung.6 In völliger Fehleinschätzung
der Situation glaubte Karl V., mit dem Edikt sei das lutherische Problem
gelöst.
Manche Reichsfürsten verstanden die theologischen und politischen
Auseinandersetzungen ihrer Zeit nicht. Der Kölner Erzbischof Hermann
von Wied7, seit 1532 auch Administrator
der Paderborner Diözese, war zum Beispiel der wissenschaftlichen,
theologischen Diskussion seiner Zeit gar nicht gewachsen, wie es sich u.
a. während des Reichstages 1540 in Hagenau zeigte. Damals war er über
Johannes Eck erzürnt, den er als Störenfried der Verständigungsbemühungen
ablehnte. Hermann erkannte nicht, wie der scharfsinnige Theologe Eck, die
Unterschiede in der Rechtfertigungslehre und im Kirchenverständnis
zwischen Protestanten und deren Gegnern. Karl V. äußerte sich
besonders abschätzig über Hermann von Wied: „Wie solt der gute
Herr reformieren? Er kan kein Latein, hat nit mehr sein Lebtag dan drei
Messen gethan. Er kan das Confiteor nit."8
Er versuchte aber, die „neue Lehre" mit namhaften Vertretern zu fördern,
und ließ den ehemaligen Mönch und Reformator Straßburgs
Martin Butzer seit 1542 in Köln predigen. Zwar drängte Karl V.,
nachdem er einen eindrucksvollen Sieg über den protestantisierenden
Herzog Wilhelm V. von Jülich-Kleve-Berg errungen hatte, Butzer wieder
zu entlassen.8 Ein neuer Reform-Gegenentwurf
römisch orientierter Theologen, darunter der spätere
(a) Exkommunikation oder
Kirchenbann waren eine Kirchenstrafe (Ausschluß aus der kirchlichen,
sakramentalen Gemeinschaft, besonders vom Sakramentenempfang und kirchlichen
Begräbnis) für schwere Vergehen und wurden von höheren kirchlichen
Autoritäten (Papst, Bischof, Konzil) verhängt
(b) Nach geltendem Reichsrecht
folgte auf die päpstliche Exkommunikation bzw. Bannung die Reichs-„ächtung"
(„in Acht und Bann"), die ansonsten bei gemeingefährlichen Verbrechen
ausgesprochen wurde. Der Geächtete galt als „vogelfrei", d. h. er
war aus der schützenden Rechtsgemeinschaft ausgeschlossen und konnte
von jedermann bußlos ermordet werden.
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Kardinal Johannes Gropper, wurde erarbeitet Ansonsten unterstützte
Hermann von Wied weiterhin die Reformation. Dagegen richteten das Domkapitel
und der Rat der Stadt Köln 1544 eine Appellation an Kaiser und Papst9.
Darauf reagierte Karl V nur zögernd - aus politischen Rücksichten
gegenüber den protestantischen Reichs-Ständen und in der Hoffnung,
der Erzbischof werde nachgeben. Als aber die Neuerungen nicht rückgängig
gemacht wurden, Papst Paul III. die Exkommunikation und Suspension Hermanns
ausgesprochen hatte und sogar ein neuer Erzbischof (Adolph von Schauenburg)
bestimmt worden war, erklärte Karl V. 1546 auch die Absetzung Hermanns
von Wied als Kurfürst.
Beinahe gleichzeitig mit dem ersten Reformationsversuch in Köln
setzten die ersten gegenläufigen Bemühungen ein. Ein Kreis vortridentinisch-katholischer
Theologen um den Großsiegelbewahrer Johannes Gropper und andere Gruppen
waren auf eine Abgrenzung von der „neuen Lehre" bedacht - in Publikationen,
öffentlichen Streitgesprächen und kirchenpolitischen Kämpfen.
Dabei gewannen die ersten deutschen Jesuiten (u. a. Petrus Canisius, Petrus
Faber) mit Unterstützung Groppers bedeutenden Einfluß. Sie gründeten
in Köln die erste Ordensniederlassung auf deutschem Boden. Der Jesuiten-Orden,
1534 von dem spanischen Offizier und Adeligen Ignatius von Loyola gegründet,
hatte eine straffe, hierarchische Verfassung unter einem General an der
Spitze und war außer den traditionellen drei Mönchsgelübden
(Armut, Gehorsam, Keuschheit) ebenso dem unbedingten Gehorsam gegen den
Papstverpflichtet. Jesuiten entwickelten sich bald zur maßgebenden
Stütze päpstlichen, römisch-katholischen Einflusses - In
der Folge des Kölner Reformationsversuches setzte Kaiser Karl V. auch
ein militärisches Zeichen, die völlige Niederlage protestantischer
Fürsten (in Westfalen: Osnabrück, Tecklenburg, Minden, Lippe
und Waldeck) im sogenannten Schmalkaldischen Krieg 1546/47.
Im Trienter Reformkonzil zogen sich die Verhandlungen seit 1545 über
die verbindlichen Glaubenssätze hin.10
Wegen der Spannungen zwischen Papsttum, den Konzilsteilnehmern und dem
Kaiser sowie den protestantischen Fürsten wurden die Beratungen wiederholt
unterbrochen und 1547/48 sogar nach Bologna verlegt Als das Konzil 1561
in Trient erneut zusammentrat, hatte sich eine einflußreiche, innerkirchliche
Reformpartei entwickelt, deren Vorstellungen sich weitgehend durchsetzten,
jedoch den protestantischen Reform-Vorstellungen „diametral entgegengesetzt"11
waren. Eine Vermittlung oder Verständigung war seitdem nicht mehr
möglich. Das 1563 verkündete Reformwerk legte die wesentlichen
katholischen Glaubenssätze (Tradition und Bibel als Glaubensquellen,
Sakramentenlehre) fest und verlangte einige grundlegende Reformen, u. a.
die Residenzpflicht der Bischöfe, das Verbot kirchlicher Ämterhäufung,
bessere Ausbildung und Disziplin der Geistlichkeit, zweifelsfreier Führungsanspruch
des Papsttums.
Das Reformprogramm konnte auf Grund der schwierigen konfessions- und
machtpolitischen Verhältnisse nur schrittweise verwirklicht werden.
In Köln wurden die Reformen unter den nächsten sechs Amtsnachfolgern
Hermanns von Wied nur halbherzig oder schwach durchgeführt, so daß
die religiöse und kirchenpolitische Situation dort drei Jahrzehnte
unentschieden blieb. Als 1577 ein neuer Erzbischof gewählt werden
mußte, wurde Gebhard Truchseß von
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Waldburg12 dazu bestimmt, der wegen
seiner Verwandtschaft mit dem Bischof von Augsburg Kardinal Otto Truchseß
von Waldburg über jeden Verdacht der Häresie erhaben schien.
Gebhard lebte aber in einem Verhältnis mit dem Gerresheimer Stiftsfräulein
Agnes von Mansfeld, deren gräfliche Verwandten eine standesgemäße
Aufwertung der Beziehung verlangten. Gebhard faßte nur den Plan,
Agnes zu heiraten und das Kurstift Köln in ein erbliches Fürstentum
umzuwandeln. Obwohl sein Vorhaben das geltende Reichsrecht verletzte (vgl.
geistl. Vorbehalt des „Augsburger Religionsfriedens"), suchte Gebhard (vergeblich)
die Anerkennung durch den Reichstag zu Augsburg. Aber auch im eigenen Lande
fand er keinen Rückhalt, weil das Kölner Dom-Kapitel die rheinischen
Stände mobilisierte und zum Landtag nach Bonn berief. Es klagte Gebhard
an wegen Landesverrats (Verstoß gegen die „Erblandesvereinigung"
durch den Übertritt zur „neuen Lehre) und drohte mit der Neuwahl eines
Erzbischofs. Dennoch ließ sich Gebhard am 2. 2. 1583 von einem calvinistischen
Prediger mit Agnes von Mansfeld trauen. Da er seine politischen Pläne
im Rheinischen nicht durchsetzen konnte, bemühte er sich im kurkölnischen
Herzogtum „Westfalen" (der Ostteil des Sauerlandes und der Kreis Soest)
um Erfolg (Edikt der Religionsfreiheit, Verhandlungen im Arnsberger Landtag).
Er fand Unterstützung bei einem Teil des Adels und ca. einem Viertel
der Städte13. Mit militärischer
Gewalt wollte er seine Vorstellungen durchsetzen und unterdrückte
den katholischen Gottesdienst. Aber ihm fehlten die finanziellen Mittel,
da er von den lutherischen Reichsfürsten keine Hilfe, von den Calvinisten,
dem Kurfürsten von der Pfalz und dem Grafen von Nassau nur geringe
Geldmengen und Truppen erhielt So erlitt er 1584 die vernichtende Niederlage
durch seine katholischen Gegner mit dem neuen Erzbischof und Kurfürsten
Ernst (von Bayern) an der Spitze14.
Diese Entwicklung wurde in den calvinistischen Niederlanden, 1581 als „unabhängig"
proklamiert, als Bedrohung empfunden und mit Truppeneinfällen beantwortet
Darauf reagierten die Spanier mit militärischen Gegenmaßnahmen.
Von neuem zeigten sich die strategische Bedeutung „Westfalens" und der
angrenzenden norddeutschen Gebiete als militärisches Glacis und Vorfeld
des spanisch-niederländischen Konflikts sowie die Schlüsselstellung
Kölns.
Wichtige Impulse der historisch-politischen Entwicklung gingen von Köln
aus. So bildet das endgültige Scheitern des letzten kurkölnischen
Reformationsversuches 1583/84 unumstritten auch für den gesamten westfälischen
Raum eine herausragende Zäsur: den „Wendepunkt von der Reformation
zur Gegenreformation, von dem Vorschreiten des Protestantismus zum Wiedervorschreiten
des Katholizismus".15 Seitdem gewann
die katholische „Partei" maßgebenden politischen Einfluß in
kurkölnischen Gebieten und ebenso den Bistümern Münster
und Paderborn. Dort wurde die religiöse Erneuerung durch die jahrzehntelangen
Kämpfe spanischer und niederländischer Truppen noch verzögert.
Der Kölner Erzbischof Ernst, zugleich Bischof von Freising, Hildesheim,
Lüttich und (seit 1585) auch Münster, unterschied sich zwar in
seiner persönlichen Lebensweise nur wenig von seinem Vorgänger
Gebhard, unterstützte aber das katholische Interesse zielstrebig u.
a. durch die Gründung neuer Jesuitenniederlassungen in Aachen, Bonn,
Hildesheim und Münster. Andererseits war der protestantische Einfluß
in Westfalen noch nicht gebrochen. Er bestimmte die politische und kulturelle
Entwicklung in den Grafschaften Nassau, Lippe und Steinfurt (vgl. Gründung
der universitätsähnlichen „Hohen
-11-
Schule" 1591 in Burgsteinfurt), den Bistümern Osnabrück, Minden
und Paderborn. In diesen Gebieten waren der Adel und das führende
Bürgertum der Städte dem Protestantismus zugewandt, dem die Geistlichkeit
infolge mangelnder Bildung und jahrzehntelanger Verwahrlosung kein Gegengewicht
bieten konnte. Im Paderborner Domkapitel zum Beispiel waren die katholischen
Mitglieder in der Minderheit Indem ein entschiedener Vertreter dieser Gruppe,
Dietrich von Fürstenberg (siehe Dia 2), 1585 zum Bischof erhoben wurde,
erhielt die Wende zur Gegenreformation auch im Paderborner Land mächtigen
Auftrieb.
Der Begriff „Gegenreformation" wird im Folgenden nicht in seinem ursprünglichen,
vordergründigen Sinn als bloß machtpolitischer Vorgang sogenannter
„Rekatholisierung"(a) verstanden, sondern
er bezeichnet einen grundlegenden, mehrdimensionalen Strukturwandel, der
für die weitere historische Entwicklung neue grundlegende Maßstäbe
setzte16: die päpstlich-katholische
(Bereitschaft zur) Reform, die theologische, sozial- und machtpolitische
Abgrenzung von Andersgläubigen, die Erstarkung der fürst(bischöf)lichen
„Landesherrschaft" gegen demokratisierende Tendenzen des Bürgertums,
der sozialen Unterschichten und gegen die traditionellen Machtansprüche
der „Stände" (Adel/ Ritterschaft, Geistlichkeit und Städte).
In diesem Vorgang formierte sich allmählich zwischen Protestanten
und Katholiken eine scharfe Polarisierung, die anfängliche Hoffnungen
und Aussichten auf Ausgleich und Verständigung bald schon ausschloß.
Diese Gegensätze erlaubten keinen Kompromiß, sondern zwangen
jedermann zu einer Entscheidung in allen Lebensbereichen und prägten
die Entwicklung entscheidend bis zur Gegenwart.17
- Der bedeutendste Vertreter der Paderborner „Gegenreformation" war Fürstbischof
Dietrich IV. (von Fürstenberg), der neue, „dritte Begründer der
Paderborner Kirche".18 Ihm gelang die „entscheidende Wendung" in der Bistumsentwicklung
gegen den Widerstand des Adels(b), des Bürgertums,
teils auch der Geistlichkeit - zu Gunsten der päpstlich-katholischen
„Partei", zu der es seit dieser Zeit keine Alternative mehr gab.18
Dieser Neubeginn fand seinen zeitgenössischen, demonstrativen Ausdruck
in einem großzügigen Neubauprogramm (vgl. Dias 4 - 8). Es veränderte
die Lebens-, Wohnverhältnisse und das äußere Erscheinungsbild
der Stadt Paderborn und anderer Orte.
Die aus der Paderborner „Gegenreformation" heute noch erhaltenen Baudenkmäler
und ähnliche Objekte interessieren in dieser Diaserie nicht nur im
(a) Der Begriff „Rekatholisierung"
ist in der Forschung umstritten auf Grund seiner vorwiegend militär-
oder machtpolitischen Perspektive. Außerdem beruht er in seinem Wesen
auf ungeschichtlichen Vorstellungen, nämlich der Fiktion, die „Rekatholisierung"
führe zurück zu früheren, „katholischen" Verhältnissen
- so, als ob vor- und gegenreformatiorischer Katholizismus identisch seien.
(b) Der Adel / die sogenannte
„Ritterschaft" hatte Anteil an der Landes-Herrschaft. Sie war ein starkes
ständisches Band zwischen hohem und niederem Adel, d. h. der Begriff
umschließt die Edelherren / Grafen, die rittermäßigen
Dienstleute/ Ministerialadelige und rittermäßige Lehnsleute/Vasallen.
Wesentliches und traditionelles Element der Ritterschaft ist der Kriegsdienst
zu Pferde (unter der Fahne des Königs oder des Landesherrn), der vom
König oder Landesherrn mit einem Lehen / Adelsgut entlohnt wurde.
Seit dem 10. Jahrhundert wurden Erblichkeit und Ritterbürtigkeit zu
weiteren wichtigen Kriterien. In der Zeit des ausgehenden Mittelalters
waren die Grenzen zwischen „Ritterschaft", niederem Adel, stadtadeligem
Patriziertum und freien Bauern noch unklar. Erst im 16. Jahrhundert entwickelte
sich die Ritterschaft als Landstand mit deutlichen Konturen: mit bestimmten
landtagsfähigen „Rittergütern" verbunden und dem Landesherrn
untertan.
-12-
kunsthistorischen-deskriptiven Sinne, sondern vielmehr aus historisch-quellen-
und erkenntniskritischer Sicht20. Sie
sollen als historische, künstlerische Dokumente ihrer Zeit die „Gegenreformation
im Paderborner Land", ihre wesentlichen Strukturen, Dimensionen und Geschehenszusammenhänge
exemplarisch verdeutlichen und zur „Sprache" bringen, um zugleich einen
Beitrag zu deren (unterrichtspraktischen) Rezeption heute zu leisten. Darauf
zielen die Objektauswahl für die einzelnen Dias und die sie begleitenden
Sach- und Informationstexte. Im Interesse einer sinnvollen, didaktisch-methodischen
Strukturierung wurden thematisch-inhaltliche Wechselbezüge und die
formale Vergleichbarkeit der Bilder besonders beachtet21.
-46-
ANMERKUNGEN
1 Leesch, Wolfgang,
Das Fürstbistum Paderborn - zur Geschichte des Territoriums, in: ders.,
Schubert, Paul und Wilhelm Segin, Heimatchronik des Kreises Paderborn,
Band 37 der Heimatchroniken der Städte und Kreise des Bundesgebietes,
Köln 1970, S. 136
Hömberg, Albert K., Studien zur Geschichte des westfälischen
Städtewesens, in: ders., Zwischen Rhein und Weser, Aufsätze und
Vorträge zur Geschichte Westfalens, Münster 1967, 5.141 / Karte
zu den Städtegründungen des Erzbischofs Engelbert von Köln,
Geschichtlicher Handatlas von Westfalen I, Münster 1975
Mayr, Alois, Die Wirtschaftsräume Westfalens im
Überblick, in: Kohl, Wilhelm (Hg.), Westfälische Geschichte -
Band 3 (Das 19. und 20. Jahrhundert Wirtschaft und Gesellschaft), Düsseldorf
1984,S. 16
2 Hömberg, Albert
K., Westfälische Landesgeschichte, Münster 1967, S. 207, 213
f
3 Hömberg, Landesgeschichte,
S. 236 f
Kohl, Wilhelm, Das Zeitalter der Glaubenskämpfe
(1517 - 1618), in: ders. (Hg.), Westfälische Geschichte in drei Textbänden
und einem Bild- und Dokumentarband, Band 1 (Von den Anfängen bis zum
Ende des Alten Reiches), Düsseldorf 1983, S. 514
4 Zeeden, Ernst Walter,
Das Zeitalter der Glaubenskämpfe (1555 - 1648), in: Gebhardt - Handbuch
der deutschen Geschichte, 9., neubearb. Aufl., hg. v. Herbert Grundmann,
Stuttgart 1970, S. 140 ff
5 Lortz, Joseph,
Die Reformation in Deutschland, Band 1 (Voraussetzungen - Aufbruch - erste
Entscheidung), Freiburg/ Breisgau 1939, S. 10 f
6 Lortz, Reformation,
S. 284 f
7 Hermann von Wied
(1477 - 1552) erhielt schon mit sechs Jahren eine Pfründe im Kölner
Domkapitel, seit 1515 Erzbischof und Kurfürst von Köln, seit
1532 auch Administrator der Paderborner Diözese, nahm gegenüber
der „neuen Lehre" zunächst eine deutlich ablehnende Haltung ein (u.
a. öffentliche Bücherverbrennung, Zustimmung zur Ächtung
Luthers), geriet aber seit ca. 1527 wegen der päpstlich kurialen Pfründevergabe
in einen zunehmenden Gegensatz zur päpstlichen „Partei" und berief
lutherische Prediger nach Bonn und Köln, insbesondere Martin Butzer
und Philipp Melanchthon. Auf Grund der Gegenmaßnahmen Kaiser Karls
V. resignierte er 1547 und zog sich in die Grafschaft Wied zurück.
8 Druffel, A. von,
Briefe und Akten zur Geschichte des 16. Jahrhunderts, III (München
1882) 8, zit. nach: Franzen, August, Bischof und Reformation, Erzbischof
Hermann von Wied vor der Entscheidung zwischen Reform und Reformation,
Münster 1972, S. 15
9 Franzen, Bischof,
S. 94 - 101
10 Zeeden, Glaubenskämpfe,
S. 208 ff
11 Hömberg,
Landesgeschichte, S. 231
12 Gebhard Truchseß
von Waldburg (1547 - 1601), seit 1577 Erzbischof und Kurfürst von
Köln, lebte seit 1579 in einem Verhältnis mit der Gräfin
Agnes von Mansfeld, mit der er sich 1583 von einem calvinistischen Prediger
trauen ließ. Zuvor hatte er sich von der päpstlich-katholischen
Kirche losgesagt Er konnte sich aber weder im Rheinland noch in Westfalen
(militärisch) durchsetzen und verbrachte seine letzten Lebensjahre
in der Domdechantei in Straßburg.
13 Hömberg,
Landesgeschichte, S. 236 f
14 Ernst von Bayern
(1554 - 1612), seit 1566 Bischof von Freising, 1573 zum Bischof von Hildesheim
postuliert, seit 1581 Bischof von Lüttich, seit 1583 Erzbischof und
Kurfürst von Köln, eroberte mit
-47-
der Hilfe bayerischer und spanischer Truppen die Stützpunkte
seines Kölner Amtsvorgängers Gebhard. Ernst wurde 1585 auch Bischof
von Münster und trug entscheidend zum Erfolg der Gegenreformation
in Westfalen bei.
15 Hömberg,
Landesgeschichte, S. 237
16 Hömberg,
Landesgeschichte, S. 221 f
Taddey, Gerhard, Lexikon der deutschen Geschichte, Stuttgart2
1983 S. 429
17 Hömberg,
Landesgeschichte, S. 221 f, 243
18 Brandt, Hans Jürgen
und Karl Hengst, Die Bischöfe und Erzbischöfe von Paderborn,
Paderborn 1984, S. 222, 118
19 Ludorff, A. (Hg.),
Die Bau- und Kunstdenkmäler des Kreises Paderborn, mit geschichtl.
Einleitungen von W. Richter, Münster 1899.
vgl. Becker, Walter, Schloss Neuhaus - das ehemalige
Wohngebäude Paderborner Bischöfe, Paderborn 1970, S. 68 ff
20 vgl. Stift Ursula
und Gerhard Langemeyer, Kunstwerke als historische Quelle, exemplarische
Bildanalyse im Unterricht, in: Geschichte, Politik und ihre Didaktik, Beiträge
und Nachrichten für die Unterrichtspraxis, Heft 3/4, Paderborn 1978,
S. 96 - 113
dies., Porträts des 16. Jahrhunderts als historische
Quellen, eine museumsdidaktische Unterrichtseinheit zu Wandel und Kontinuität
am Beginn der Neuzeit, Heft), Band 1 (Die Katholische Reform in den geistlichen
Landesherrschaften), Münster 1986, S. 140 f
21 vgl. Lampe, Klaus,
Das Bild im Geschichtsunterricht, zur Methodik zu kognitiven und affektiven
Lernzielen, in: Süssmuth, Hans (Hg.), Historisch-politischer Unterricht
/ Medien, Band 7, 2 der Anmerkungen und Argumente zur historischen und
politischen Bildung, Stuttgart 1978, S. 187 -194.
vgl. Arnold Vogt, Regionalgeschichte anhand von Bildmedien
im Unterricht, die Gegenreformation im Paderborner Land, in: Geschichte,
Politik und ihre Didaktik - Zeitschrift für historisch-politische
Bildung - Beiträge und Nachrichten für die Unterrichtspraxis,
Heft 1/2 des 15. Jahrgangs, Paderborn 1987, S. 113 - 118
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