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Hans Galen im Auftrag der Stadt Münster (Hg.)
Geschichte der Stadt Münster im Stadtmuseum Münster
Redaktion: Hans Galen, Silvia Dethlefs, Detlef Dreßler; Kataloggestaltung: Hans Galen, Detlef Dreßler 
Umschlaggestaltung: Stephan Kube; Fotos: Tomasz Samek
Münster 1989, 292 Seiten, ISBN 3-402-05717-4
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Verzeichnis der Verfasser
Brawne, Michael; Professor, Hochschullehrer und Museumsarchitekt, Bath/England
Kresing, Rainer M.; Dipl. Ing., Architekt BDA, Münster
Loskant, Karl-Adolf; Generaldirektor der LVM-Versicherungen, Vorsitzender des Münster-Museum e.V.
vom Stadtmuseum Münster:
Buske, Stefan; stud.phil., Wissenschaftl. Mitarbeiter (Bu)
Dethlefs, Gerd; Museumsrat (D)
Dr. Dethlefs, Silvia; Wissenschaftliche Mitarbeiterin (De)
Dreßler, Detlef; Wissenschaftlicher Mitarbeiter (Dr) 
Eimers, Alfred; Restaurator
Finke, Rolf; Verwaltungsleiter
Galen, Hans; Museumsdirektor (G)
Dr. Grote, Udo; Wissenschaftlicher Mitarbeiter (Gr) 
Güthge, Andrea; Dipl.Ing.,Technische Leiterin (Gü) 
Paul-Menn, Susanne; Wissenschaftl. Mitarbeiterin
Samek, Tomasz; Fotograf
Schollmeier, Axel; Wissenschaftlicher Mitarbeiter
Dr. Vogt, Arnold;Wissenschaftl. Mitarbeiter (V)

 
Inhaltsverzeichnis
Verzeichnis der Verfasser
Vorwort
Einführung

Das Museumsgebäude - Architektur und Konzeption
Die Museumskonzeption
Die Architektur des Gebäudes
The Museum Architecture
Planung und Errichtung des Gebäudes

Die Ausstellungsbereiche
Die Schausammlung:Geschichte der Stadt 
Münster von den Anfängen bis zur Gegenwart

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Einführung 
Von der Domburg zur Stadt
Städtische Freiheiten im Mittelalter
Wirtschaft und Gesellschaft im Mittelalter
Mittelalterliche Kunst
Umbruch zur Neuzeit
Die Wiedertäufer
Höhepunkt der Bürgerstadt
Die Jesuiten
Dreißigjähriger Krieg und Friedenskongreß
Der Westfälische Frieden
Christoph Bernhard von Galen
Stadt des Adels
Die Zeit des Fürstbischofs Clemens August von Bayern
Das Residenzschloß
Der Klassizismus
Franz von Fürstenberg und seine Zeit
Napoleon und die Zerschlagung der alten Ordnung
Münster und Preußen
Die Entwicklung der Stadt im 19. Jahrhdt.
Münsterische Malerei im 19. Jahrhundert
Das Biedermeier
Katholisches Leben
»Münster-Send«
Ein Kaufladen von 1911
Erster Weltkrieg und Weimarer Republik
Die NS-Gauhauptstadt
Bombenkrieg
Wiederaufbau
Münster heute
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Das Münzkabinett
Die Wechselausstellungen

Museumskunde – Wissenschaft, Verwaltung, Technik
Einführung
Der organisatorische Aufbau des Stadtmuseums 
Die wissenschaftliche Abteilung
Wissenschaftliche Volontäre und Praktikanten
Museumspädagogik
Aufgaben der Verwaltungsabteilung
Die technische Abteilung 
Restaurator und Museum 
Museumsfotografie
Das Werden einer Ausstellung 

Das Stadtmuseum Münster 1979-1989
Die Geschichte des Museums
Der Städtische Kunstbesitz
Die Sammeltätigkeit des Museums
Der Förderverein

Anhang: Ergänzungen zum Foto-/ und Objektnachweis
Literaturverzeichnis
 

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27 Bombenkrieg

Abb. Kriegszerstörungen am Kiepenkerl und im Kreuzviertel

Durch den Zweiten Weltkrieg erlitt Münster die vielleicht schwerste Katastrophe seiner Geschichte. Schon die ersten Kampfhandlungen im September 1939 fanden in der Bevölkerung — anders als 1914 —nur geringe Zustimmung und Begeisterung. Der Einberufung zu den Waffen folgte der Kampfeinsatz auf verschiedenen Kriegsschauplätzen. Sie reichten vom Nordmeer bis zum Südatlantik und zum Pazifik. Besondere Betroffenheit löste die Vernichtung der sechsten Armee in Stalingrad aus, deren Ersatzbataillone vorwiegend in Münster stationiert waren. Kritik oder Klagen wurden durch Gestapo und Denunziation erstickt. Auch die Zivilbevölkerung — hinter den deutschen Fronten — wurde in Mitleidenschaft gezogen durch vielfache Kriegsentbehrungen, insbesondere durch den verschärften Terror des nationalsozialistischen Regimes. So löste die moderne, »totale« Kriegführung innerhalb des deutschen Machtbereichs ein Inferno des Grauens in bislang unvorstellbaren Dimensionen aus. Vernichtung und Mißhandlung in Konzentrations-, Arbeits- und Kriegsgefangenenlagern, Deportation, Verschleppung, Vertreibung, Flucht, Obdachlosigkeit, Krankheit und Verwundung waren die Folgen von Kriegsgewalt und NS-Terror —heute noch sichtbar in den großen Gräberfeldern für die Opfer aus Krieg und Gewaltherrschaft.

Auch Münster blieb von den Kriegsfolgen nicht verschont. Vor allem der Luftkrieg trug das Kriegsgeschehen über die Front hinweg in die Stadt. Wegen ihrer Bedeutung als Verkehrsknotenpunkt für Eisenbahn- und Kanalverbindungen wurde Münster ein strategisches Luftziel. Von Mitte Mai 1940 bis Ende März 1945 war die Stadt das Ziel von 102 Luftangriffen. Mit 32 000 Sprengbomben, 642 000 Stabbrandbomben und 8100 Brandkanister wurde die Stadt in Schutt und Asche gelegt. Aufgrund der verbesserten Ausrüstung US-amerikanischer Bomber begannen 1943 massierte Tagesangriffe. Eines der ersten Ziele der neuartigen Bombertaktik war Münster am 10. 10. 1943. In zwei Angriffswellen flogen 230 Bomber. 30 von ihnen wurden von deutschen Jagdstaffeln und von deutscher Flak-Abwehr abgeschossen. Der Angriff auf das Stadtzentrum dauerte nur 15 Minuten. Als Zielpunkt war den Piloten kein militärisches Objekt, sondern das Hauptportal des münsterischen Doms befohlen worden: »We learned that our target was to be the front steps of Munster cathedral.« Weil viele Menschen nach dem ersten Angriff sich in Sicherheit wähnten und auf die offene Straße geflüchtet waren, wurden sie Opfer der zweiten Bomberwelle. Insgesamt verloren etwa 700 Menschen ihr Leben.

Eine Fotoserie, teils aus amerikanischen und englischen Beständen, dokumentiert den Angriff vom 10. 10. 1943 in einzelnen Phasen: Einsatzbesprechung der Flugzeugbesatzungen, Anflug, fotografische Trefferauswertung, zeitgenössische Bilddokumente vor Ort. Die Fotos belegen, wie systematisch Luftangriffe vorbereitet, durchgeführt und ausgewertet wurden. In nur wenigen Jahren zerstörten sie, was zuvor in vielen Jahrhunderten entstanden war: das traditionsreiche Erscheinungsbild der Stadt. Nach und nach wurden historische und künstlerisch wertvolle Gebäude, alte Bürgerhäuser und Adelshöfe, die das Gesicht der Stadt bisher prägten, mit ihrer kunstvollen Inneneinrichtung ein Raub des Bombenfeuers. Zu Kriegsende war die Bausubstanz im historischen Altstadtkern völlig vernichtet (vgl. Stadtmodell in der Ausstellung). Wegen der großen Schäden meldeten sich später ernsthafte Zweifel zu Wort, ob der Wiederaufbau des zerstörten Stadtzentrums überhaupt noch möglich sei. (V)
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Fotoauswertung der zweiten Angriffswelle vom 10. 10. 1943
Großfoto, 200 x 150 cm
Stadtmuseum Münster/Imperial War Museum, London

Das Bild diente der USA-Air-Force zur Ergebnisauswertung und zur Planung neuer Bombenangriffe. Es zeigt, wie exakt die Ortskenntnis der Angreifer und deren Informationsstand gewesen war. Deutlich erkennbar sind die Straßenzüge, die Eisenbahnführung (rechts im Bild) und die Markierung einzelner Stadtgebiete (Bildmitte). Rauchwolken — im unteren Teil des Bildes — verdecken das Zentrum der Stadt. Obwohl sich dort keine militärischen Anlagen befanden, war es zum vorrangigen Ziel der Bombenangriffe am Sonntag, dem 10. 10. 1943, bestimmt worden, so daß vor allem die Zivilbevölkerung, Frauen und Kinder, betroffen waren. Die Bombardierung zielte offensichtlich auf die Demoralisierung der Bevölkerung (vgl. alliierte Flugblätter). Sie war beim sonntäglichen Nachmittagsspaziergang gegen 15.00 Uhr überrascht worden, denn Tagesangriffe waren bisher sehr selten gewesen. Trotzdem bereiteten deutsche Jagdflieger und die bodengestützte Flugabwehr den angreifenden Amerikanern empfindliche Verluste in einer heftigen »Luftschlacht« über Münster und dem Münsterland. Insgesamt aber reichten die Maßnahmen der deutschen Luftverteidigung nicht aus, um den Alliierten eine wirksame Abwehr entgegenzustellen. Viel zu geringe Kräfte — Jagdflieger und Flak —standen zur Verfügung. Außerdem mangelte es an einer zweckmäßigen Organisation. Zudem waren die Jagdflieger wie überhaupt die Luftwaffe mehr für den Angriff konzipiert und ausgebildet, als für die Verteidigung, so daß z. B. geringe Vorkehrungen für die Nachtjagd getroffen worden waren. So konnten die alliierten Bomber in den folgenden Nächten ihre Tod und Zerstörung bringende Fracht beinahe ungestört nach Münster fliegen. — Bald darauf wechselten die Massenbombardements zunehmend mit punktuellen Zielangriffen und leiteten so seit 1943 die entscheidende Phase des Krieges ein. Bis zum Kriegsende gelang den Alliierten eine massive Häufung der Bomberflüge, so daß die Lebensgefahr, die nervliche Belastung in der Stadt weiter und weiter gesteigert wurden (vgl. die Gesamtdauer der Fliegeralarme: im Jahre 1943 »nur« 97 Stunden, 1944 279 Stunden und 1945 — bis 2. April — bereits 225 Stunden). Aufgrund der wachsenden, tödlichen Bedrohung waren seit 1942/43 einige Luftschutzbunker und Unterstände errichtet worden (vgl. Bunkerraum), die jedoch keine absolute Sicherheit boten. Die Unterstände dienten z. B. als Behelfsbunker, die nur gegen Bombensplitter sicherten. Sogar im Schützenhof-Betonbunker starben 68 Menschen am 18. 11. 1944 durch die Wirkung eines Bombentreffers (Überdruck). In manchen privaten Luftschutzräumen, die keine Ausweichmöglichkeit boten, brach während der Bombenangriffe die Wasserleitung, so daß die Zufluchtsuchenden dort elendig ertranken. Wer konnte, verließ die Stadt, so daß die Verlustzahlen (ca. 1600) trotz der beinahe 700 000 Bomben relativ gering waren. Auch in diesem Zusammenhang zeigt sich wieder die besondere Bedeutung des Bombenangriffes vom 10. 10. 1943, als Münster die größten Verluste — 473 tote Zivilpersonen, 200 tote Soldaten, wahrscheinlich noch weitere Tote — erleiden mußte. (V)
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28 Wiederaufbau

Am Ostermontag, dem 2. 4. 1945 gegen 18.00 Uhr, besetzten amerikanische und britische Panzertruppen die Stadt. Ihnen bot sich ein Anblick grauenvoller, völliger Verwüstung. Wenige Wochen später, nach der deutschen Kapitulation, übten die alliierten Militärbehörden die Staatsgewalt aus. Deutschland wurde in Besatzungszonen geteilt. Münster gehörte zur britischen Zone. Die Militärbehörden setzten deutsche kommunale Verwaltungen ein. Rudolf Amelunxen wurde zum Oberpräsidenten der Provinz Westfalen mit Sitz in Münster ernannt. Sogleich begannen Ordnungsmaßnahmen, Notprogramme und Räumungsaktionen, auch aus Eigeninitiative der Bevölkerung. Wegen der Abwesenheit der Männer in alliierten Lagern (Gefangenschaft) lag die Arbeit hauptsächlich bei den sogenannten »Trümmerfrauen« (vgl. Foto). An diese ersten Nachkriegsjahre, vor allem an die Existenznot dieser Zeit, erinnern zahlreiche, eindrucksvolle Fotodokumente.

Mit der Trümmerbeseitigung begann der Wiederaufbau. Wichtige Unterstützung erfuhr die Stadt damals durch den Provinzialverband Westfalen, der die Hauptverwaltung wieder nach Münster verlegte und so dessen Bedeutung als Provinzialhauptstadt bekräftigte. Als kommunal-überörtliche Selbstverwaltung hatte der Provinzialverband den Krieg im Kern überstanden und verfügte – einzigartig in Deutschland –über eine noch völlig intakte und leistungsfähige Verwaltungsorganisation. Die übergeordnete Koordination der Hilfsmaßnahmen leistete der zentrale Wohlfahrtsausschuß für die britische Besatzungszone in Bünde, wo neben der Besatzung und dem Provinzialverband ebenso die freien, kirchlichen Fürsorgeverbände und verschiedene kommunale Vereinigungen vertreten waren. Die Fürsorgeverbände – Caritas, Innere Mission/Evangelisches Hilfswerk, Deutsches Rotes Kreuz, Paritätischer Wohlfahrtsverband, jüdische Comitees u. a. – reorganisierten sich unter alliierter Regie und trugen wesentlich zur Wiederaufbauarbeit bei. Sie verteilten internationale Hilfssendungen und richteten ihre Zentralen z. T. auch in Münster ein. Zeitlich nachgeordnet erlaubte die britische Besatzungsmacht einen sukzessiven Neuaufbau deutscher Behörden mit politischer Verantwortung – zunächst auf kommunaler Ebene: Einrichtung städtischer Behörden, Neubildung politischer Parteien seit September 1945, Wahl einer Stadtvertretung erstmals wieder nach mehr als 13 Jahren, freie Wahl eines Oberbürgermeisters. In Münster wurde Landesrat Franz Rediger am 21. 10. 1946 gewählt. Zeitlich parallel erfolgte eine grundlegende staatspolitische Neuordnung: die Gründung des Landes Nordrhein-Westfalen und dann 1949 der Bundesrepublik Deutschland (vgl. dazu die Fotodokumentation und die Holzwand mit politischen Plakaten der 40er Jahre). Die neue Landeshauptstadt für Nordrhein-Westfalen wurde Düsseldorf. Hauptstädtische Funktionen erhielt außerdem Münster als Sitz des obersten Verfassungsgerichtshofes und des Oberverwaltungsgerichts des Landes. Auch das Landesamt für Agrarordnung wurde in Münster eingerichtet. Die früheren Provinzialbehörden behielten ihren Verwaltungssitz in Münster – seit 1953 als Landschaftsverband Westfalen-Lippe. Hinzu kamen weitere Behörden des Bundes und des Landes mit überörtlicher Bedeutung, die hohen Kommandostäbe der Bundeswehr, kirchliche Oberbehörden, Verwaltungsspitzen des Finanz- und Versicherungswesens und die Kammern großer Berufsverbände.

In Münster waren weitere wichtige Zukunftsentscheidungen getroffen worden: Orientierung des Wiederaufbaus am früheren Straßennetz, geringfügige Änderung einiger Straßenzüge zugunsten eines modernen Verkehrssystems, Rückbesinnung auf die historische Bausubstanz. Ein grundlegender Wandel zeichnete sich in der Tendenz höhergeschossiger Gebäude und Häuserblöcke ab – bald ein neues Charakteristikum des Stadtbildes, zugleich Ausdruck des wirtschaftlichen Aufschwungs. Er schuf neue Arbeitsmärkte für den damals stark wachsenden Flüchtlingsstrom aus der DDR, außerdem für viele ausländische Arbeitnehmer. Eine rasch steigende Bevölkerungszahl und ein ebenso wachsender Wohnungsbedarf waren die Folge, so daß in Münster sogar die Planung neuer Stadtteile erforderlich wurde. Diese Entwicklung brachte vielfältige soziale und kulturelle Veränderungen, z. B. eine neue Mobilität, äußerlich sichtbar im Besitz privater Kraftfahrzeuge. (V)
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Theatermodell

Holz, um 1952 angefertigt vom Architektenteam für die Stadt Münster,
um 1968 überarbeitet
112,5x 107 cm
Stadtmuseum Münster

Das erste Theater, das nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland neugebaut wurde, entstand in den Jahren 1954 bis 1956 in Münster. Aufgrund des engen, schmalen Eckgrundstücks hatte das junge Architektenteam – Deilmann, von Hausen, Rave, Ruhnau – ein diagonal ausgerichtetes Zuschauerhaus entworfen mit schwungvollem Lamellenkranz, aus dem ein kathedralhaft verstrebter, parabolischer Bühnenturm hervorragt. Eine suggestive Öffnung des Sockelbaus korrespondiert mit der Straßenkreuzung und stimmt die Besucher auf die diagonale Struktur des Hauses ein. Zahlreiche spielerische Details, zum Beispiel die Eleganz der leichten, scheinbar frei schwebenden Freitreppen, die Transparenz der Westfassaden oder die zierlichen Rundsäulen unter dem vorkragenden Obergeschoß, sollten nach dem Willen der Architekten dem herkömmlichen Theaterbau und dem historisierenden Wiederaufbau der Stadt eine moderne Alternative entgegenstellen. Aus diesem Grunde wurde auf eine repräsentative Gestaltung innen und außen verzichtet, vor allem auf traditionelle Materialien, Klinker und Sandstein. Stattdessen erhielten außergewöhnliche Oberflächenmaterialien – großenteils italienischer Herkunft –den Vorzug: schwarze Decken, gelbe Netzvorhänge, schwarz-weiße Terrazzoböden, fliederfarbene Sitzbezüge, englische, weinrote Velourstapeten an der Innenwand des Treppenhauses – zugleich Außenwand des Saales, hellblaue und weiß-rosa Glasmosaikteilchen am Außenbau mit Marmorbruch-Riemchen aus Carrara – Eleganz mit modernen Mitteln. In diese architektonische Konzeption wurden auch die Ruinenreste des prachtvollen, klassizistischen Vorgängerbaus, des Romberger Hofes – von den Denkmalschützern eigentlich für den Abriß vorgesehen, fest integriert: als wirkungsvoller, verstärkender Kontrast zum Gesamtentwurf – ganz im Sinn eines heute noch kühn anmutenden Denkmalschutzes.

Wer das Baumodell für das Stadttheater mit den historisierenden Neuentwürfen des Prinzipalmarktes (s. Bild) oder von anderen Teilen der Stadt vergleicht, erkennt das ganze Spektrum gegensätzlicher Entwürfe für den städtischen Wiederaufbau, das hohe Anspruchsniveau und die konzeptionelle Vielfalt der einschlägigen Diskussion in Münster. Der neue Theaterbau forderte zu persönlicher Stellungnahme heraus und wurde von Zeitgenossen entweder als Provokation oder als zukunftsweisendes Vorbild empfunden. Er löste eine rege Diskussion im In- und Ausland aus. – In den Jahren 1968 bis 1971 folgte die Errichtung des »Kleinen Hauses«, ein mehr zweckorientierter Sichtbetonbau, nach einer Planung der Architekten von Hausen, Rave und Ruhnau (im Bildhintergrund). Charakteristisch für das neue Gebäude sind außer dem Sichtbeton vor allem schwer wirkende und rohe Formen – künstlerisch zweifellos nachrangig gegenüber dem »Großen Haus«.

Für den Wiederaufbau von Münster hatte das neue Theatergebäude aber nicht nur baugeschichtliche und architektonische Bedeutung. Vielmehr setzte der Neubau ebenso ein wichtiges kulturpolitisches Zeichen und bekräftigte die oberzentrale Funktion der Stadt. Ähnlich erfüllten auch andere Kultur- und Bildungseinrichtungen zentrale Aufgaben für das regionale Umfeld in Münsterland und darüber hinaus. Dazu gehörten damals die Universität und ein weitgefächertes Schulangebot, außerdem die sehr spezialisierten Einrichtungen der beruflichen Aus- und Fortbildung. Manche privaten Unternehmen ergänzten das öffentliche Angebot seit 1958, z. B. das Zimmertheater (heute Wolfgang-Borchert-Theater) mit einem dem Stadttheater vergleichbaren überregionalen Einzugsbereich. Für herausragende Veranstaltungen mit großer Teilnehmerzahl aus Kultur, Wirtschaft, Politik, Sport und Unterhaltung standen weiterhin das »Preußen-Stadion« und die »Halle Münsterland« zur Verfügung. Aufgrund der steigenden Anforderungen wurde die »Halle Münsterland« seit 1960 schrittweise zu einem modernen leistungsfähigen Kongreßzentrum ausgebaut. (V)
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29 Münster heute

Nachdem der Wiederaufbau der Altstadt in den Jahren 1949 bis 1958 und vereinzelte spätere Neubauten 1966/67 (Rothenburg 35 und Roggenmarkt 15/16) abgeschlossen waren, begann — quasi mit dem ersten Generationswechsel seit Kriegsende — eine neue weitläufige und optimistische Zukunftsplanung. Sie baute auf den Erfahrungen, den Zuwachsraten der beiden ersten Nachkriegsjahrzehnte auf, insbesondere auf den damaligen Prognosen für wirtschaftliches Wachstum, den Anstieg von Arbeitsplätzen und Bevölkerungszahlen. Ein gewichtiges Problem war der sich zuspitzende Entwicklungstrend hin zum Kleinfamilienhaushalt — bei erhöhtem Qualitätsanspruch an den Wohnungskomfort. Aber Bauland war knapp. Vermehrte Abwanderung in die benachbarten Gemeinden als Wohnorte war die Folge. — Unter diesen Bedingungen entstand im Mai 1971 der »Stadtentwicklungsplan 2000«. Er sollte den städtischen Raumbedarf für die nächsten drei Jahrzehnte bei einer auf ca. 324 000 Einwohner gedachten Bevölkerung umschreiben und entsprechende Strukturvorgaben entwerfen. Dazu gehörten u. a. Eingemeindungen, ferner ein Großflughafen im Südosten, eine S-Bahn-Verbindung Hamm-Rheine (Nord-Süd-Achse), Universitätsstadtteile, suburbane Versorgungszentren und ein neuer Stadtteil im Norden. Dieser Stadtentwicklungsplan wurde in den betroffenen Nachbargemeinden kontrovers diskutiert, aber vom Gesetzgeber am 1. 1. 1975 in der Kommunalen Neugliederung bestätigt. Sie schuf eine administrative Neuordnung: sechs Stadtbezirke — insgesamt ca. 30 222 ha, d. h. mehr als eine Vervierfachung des früheren Stadtgebietes (7382 ha). Seither ist Münster die — nach Köln — zweitgrößte (kreisfreie) Stadt in Nordrhein-Westfalen. Die Einwohnerzahl stieg durch diese Maßnahmen um 62 119 auf 264 546.

Seit Ende der 60er Jahre wurde mit der Realisierung neuer Stadtteile begonnen, vor allem für Berg Fidel und Kinderhaus, die zugleich Entwicklungsschwerpunkte des öffentlich geförderten Wohnungsbaus waren und die Nord-Süd-Strukturierung Münsters bekräftigten. Mit dem Ausbau von Gievenbeck sollte das rasche Wachstum der Westfälischen Wilhelms Universität berücksichtigt werden. Wie schon in der Altstadt, sollte auch der neue Universitätsstadtteil verschiedene Funktionsbereiche, zum Beispiel Forschung, Arbeit, Kommunikation und Wohnen, miteinander verbinden und so ein hohes Maß urbaner Kultur gewährleisten. Die Wohnungsnot unter der schnell wachsenden Studentenschaft zwang aber zu kurzfristigen Baumaßnahmen, die teils den ursprünglichen Absichten urbaner Integration widersprachen. Zahlreiche universitäre Großeinrichtungen wurden in Gievenbeck errichtet, darunter das große Zentralklinikum der Medizinischen Fakultät. Auch in der Altstadt entstanden einige komplexe Großbauten, z. B. der Aegidiimarkt (1976-1979). — Bald aber wurde deutlich, daß wesentliche Teile des Stadtentwicklungsplanes nicht realisiert werden konnten, weil manche seiner zugrunde gelegten Prognosen, zum Beispiel über das Bevölkerungswachstum, sich nicht erfüllten (vgl. Höchststand 1983: 273 500, 1989: 268 000, davon 21 000 nur mit Zweitwohnsitz gemeldet). Statt Wachstum gab es Stagnation und Rückgang. Außerdem verlangte auch das öffentliche Bewußtsein neue oder veränderte Zielvorgaben —mehr zu Gunsten kultureller, ökologischer, bürgernaher und dezentraler Aspekte. Stärkeres Gewicht erhielten nunmehr partielle Ausbaumaßnahmen, etwa zur Verbesserung des Wohnumfeldes und dessen Erhaltung. Unverändert wichtig blieb aber das überdurchschnittliche Dienstleistungspotential in den sehr verschiedenartigen Bereichen staatlicher und kommunaler Verwaltung, dem großenteils hochspezialisierten Handel und Gewerbe, dem weitgefächerten Angebot privater und öffentlicher Dienstleistungen, insbesondere von Universität, sowie anderen Lehr- und Bildungseinrichtungen mit überregionaler Bedeutung. Dazu gehört ebenso die Gründung des Stadtmuseums Münster als Ausdruck eines neuen historischen Bewußtseins. Auch der Freizeitwert der sehr vielgestaltigen gastronomischen Kultur, der »Münsterländer Parklandschaft«, sowie mancher moderner Einrichtungen — wie z. B. des Allwetterzoos (Neubau am erweiterten Aasee 1969-1974) —sind hier erwähnenswert. (V)
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Münster 1989

Luftbild, erstellt von der Hansa Luftbild GmbH, Münster am 13. Juni 1989
freigegeben unter der Nr. 8082/89 durch den Regierungspräsidenten Münster
Stadtmuseum Münster

Das Luftbild wurde eigens zur Neueröffnung des Stadtmuseums Münster erstellt und bildet den Schlußpunkt der Schausammlung. Das Bild regt zu einem vergleichenden Rückblick an auf die Stadtmodelle, Karten, Luftbilder des Bombenkrieges u. a. Der Vergleich des heutigen Stadtbildes mit seinen historischen Vorgängern und Voraussetzungen gibt Aufschluß über wichtige Entwicklungsbedingungen und Strukturen der Gegenwart. Dabei zeigen sich die Wiederaufbauleistung, die weitere Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg, die Vitalität der Stadt heute sowie Tendenzen für die Zukunft. Das Bild wurde in einer Höhe von 2 100 m aus einer Air-Commander aufgenommen, die die Stadt von Süden nach Norden überflog und mit einer Luftbildkammer ausgerüstet war (15/23 cm Weitwinkel, Aufnahmewinkel 35°).
Das Bild zeigt markante Strukturen, den historischen Stadtkern mit Domplatz und Promenadengürtel in der Mitte, flankiert von großflächigen Bereichen (Schloßgarten, Zentralfriedhof, Landesbausparkasse, Aasee u. a.) im Westen und im Osten von der Tangente der Eisenbahnlinien, die im Bahnhofsbereich durch ein viel verzweigtes Gleissystem auffallen. Sie gabeln sich nordwärts in drei Richtungen, von denen zwei den Dortmund-Ems-Kanal überqueren (rechts oben). Einige große Straßen durchziehen das Stadtgebiet, z. B. die Hammer Straße. Mit ihrem reichen Baumbestand ist sie deutlich sichtbar – vom Süden her am unteren Bildrand bis zum Kreisverkehr am Ludgeriplatz. Er bildet den Abschluß der Hammer Straße, deren Linienführung aber über die Altstadt hinüberweist und an der gegenüberliegenden Promenadenseite durch die Kanalstraße wieder aufgegriffen wird. In ihrem weiteren Verlauf folgt sie dem historischen Max-Clemens-Kanal, dem sie den Namen verdankt. Im Bild ist er als geradliniger, dunkler Streifen zu erkennen. Er kreuzt zunächst die Grevener Straße, dann die Autobahn und führt weiter bis zum Horizont. Westlich der Kanalstraße ist der Stadtteil Kinderhaus mit seinen verschiedenartigen Siedlungsbereichen zu sehen: das historische Alt-Kinderhaus, Wohnsiedlungen der 50er und 60er Jahre, die Nordwestschleife, moderne Verwaltungsbauten, das Stadtteilzentrum, jüngste Neubauten für Wohnsiedlungen und das neue Villenviertel. Östlich der Kanalstraße sind einige Verwaltungsgroßbauten zu erkennen, der Stadtteil Coerde mit seiner klaren ringförmigen Gliederung (bis zu zwölfgeschossige Hochhäuser um eine »Grüne Mitte«), ferner Kasernen- und Industriegebiete in der Nähe des Kanals. Weiter nordwärts reicht der Blick bis an die Nordgrenze des Stadtgebietes (s. Stadtteil Sprakel, Mitte oben).

Der Fotoausschnitt ermöglicht eine detaillierte Übersicht von der Altstadt und von unmittelbar angrenzenden Bereichen. Charakteristisch sind die dichtbebauten Straßen, die innerhalb des Stadtkerns noch den mittelalterlichen Ursprung erkennen lassen, ansonsten an das Netz der früheren Landstraßen und Chausseen erinnern. Herausragende Orientierungspunkte bilden die Kirchen, vor allem der Dom. Am Domplatz sind mehrere Großgebäude zu sehen: das Regierungspräsidium, Museen des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe u. a. Vor den Domtürmen befinden sich Palais und Garten des Bischofs von Münster, dessen Zuständigkeit sich über das ganze Münsterland, den Niederrhein und den Oldenburger Raum erstreckt. An den Bischofssitz und den Domplatz schließt eine Kette universitärer Gebäude an, die sich über das Schloß mit dem Verwaltungssitz der Universität bis zur Peripherie der städtischen Siedlung hinzieht (Mitte links). Zur anderen Seite des Schlosses liegt das langgestreckte Kommandogebäude des Ersten Armeekorps der Bundeswehr, dessem Befehl der gesamte norddeutsche Raum unterstellt ist. Wer den Blick vom Korpskommando aus entlang der Promenade wendet, erkennt einige vielgeschossige Hochhäuser darunter das Stadthaus II am Ludgeriplatz. Außerdem fallen einige große, vielfach untergliederte Gebäudesysteme auf, die die ursprüngliche, kleinparzellige Siedlungsstruktur überlagert haben, z. B. die Raphaelsklinik mit dem Mutterhaus der Clemensschwestern, und Kaufhaus-Großbauten. – Ansätze der weiteren Entwicklung werden in der Ausstellung an Schautafeln des Stadtplanungsamtes exemplarisch dargelegt. (V)
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