Hans Galen im Auftrag der Stadt Münster
(Hg.)
Karikaturen von Rudolf
Schöpper. Stadtmuseum Münster 7.Dez.1990 - 21.Apr.1991
Bildauswahl und Texte: Dr.
Arnold Vogt.
Kataloggestaltung: Hans Galen, Dr.
Arnold Vogt. Ausstellung Roger Zerbe.
Münster 1990, 180 Seiten, ISBN 3-402-065719-0
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Inhaltsverzeichnis
Vorwort |
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Einführung |
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Katalog |
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Die Verwandlung des Raben
Die Zeitungskarikatur - Künstlerische
Verwandtschaft
Bundesregierung: Ära Adenauer und
Erhard
Bundesregierung: Große Koalition
und 1. Kabinett Brandt
Bundesregierung: 2. Kabinett Brandt und
Ära Schmidt
Bundesregierung: Ära Kohl
Deutschland-Politik
Verdrängung
Auswärtige Beziehungen
Krisen in Nahost – Äthiopien
Sport – Fußball – Tennis – Politik
Technik – Natur – Umwelt – Politik
Münster/Westfalen
Alle Jahre wieder
Aus jüngster Zeit |
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Einführung
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Der Begriff »Karikatur« ist vom italienischen Wort »caricare«,
d. h. übertreiben, überladen, abgeleitet und meint die humorvoll
übertreibende, zeichnerische Herausarbeitung menschlicher Charakterzüge,
gesellschaftlicher und politischer Verhältnisse. Die Wirkung ist je
nach geistiger Haltung oder Standort der Betrachtenden sehr unterschiedlich.
Was einerseits erheitert, kann aus anderer Sichtweise furchterregend sein.
Was mancherorts amüsiert oder anregt, kann andernorts Bestürzung
und Proteste auslösen. Karikaturen fordern stets zu persönlicher
Stellungnahme heraus.
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Seit dem Aufkommen auflagenstarker Zeitungen im 19. Jahrhundert gewannen
Karikaturen an politischer Bedeutung. Einer der frühen, bedeutenden
Karikaturisten war Honore Daumier. Er arbeitete hauptsächlich für
die Zeitung »Le Charivari«, die 1832 gegründet wurde,
um Karikaturen zu veröffentlichen (vgl. Kat.-Nr. 17-18). Sie wurden
ein wichtiges künstlerisch-graphisches Ausdrucksmittel in der politischen
Auseinandersetzung und erfuhren durch Daumier ihre klassische Entfaltung.
Zeitungen mit Karikaturen erschienen bald auch in den Nachbarländern,
so der englische »Punch« seit 1841, in Deutschland 1844 die
»Fliegenden Blätter« und der »Kladderadatsch«.
1896 folgte der »Simplicissimus«. Aus dieser Tradition ist
auch die Gegenwartskunst der politischen Karikatur erwachsen.
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Zu den markanten deutschen Karikaturisten der Gegenwart gehört
sicher Rudolf Schöpper (geb. 1922 in Dortmund). Seit beinahe drei
Jahrzehnten sind seine Karikaturen in der westfälischen Presse zu
sehen – zunächst hauptsächlich in den »Ruhr-Nachrichten«,
der »Westfalen-Post«, dann in den »Westfälischen
Nachrichten« und den »Zeno-Zeitungen«, doch ebenso in
anderen Zeitungen im Münsterland, in München, Köln, dem
Ruhrgebiet, in Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Nachdrucke seiner
Karikaturen sind in überregionalen, teils internationalen Pressemedien
bekannt. Eine der höchsten journalistischen Auszeichnungen, der Theodor-Wolff-Preis,
wurde ihm 1968 verliehen. Wegen seiner künstlerischen, journalistischen
und kulturpolitischen Leistungen erhielt er 1974 das Bundesverdienstkreuz.
Ausstellungen des Deutschen Bundestages, kommunaler Gremien und verschiedener
Bildungsträger in der Erwachsenenbildung sowie der Westfälischen
Wilhelms-Universität Münster (zur Politikwissenschaft) haben
sich mit seinem Werk befaßt. Seine humorvollen Zeichnungen sind nicht
selten ebenso in Fach- und Schulbüchern abgebildet.
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Der Erfolg des Karikaturisten Schöpper mag erstaunen, da seine
künstlerische Ausbildung und Laufbahn eigentlich in eine andere Richtung
gewiesen hatten. Nach Krieg und Gefangenschaft hatte er 1949 zunächst
an der »Kölner Werk« Wandmalerei studiert, später
u. a. bei Gerhard Marcks und Edwin Scharf an der Hamburger Landeskunstschule
das Fach Plastik. Anschließend arbeitete er als selbständiger
Bildhauer und Graphiker in den Bereichen Bildhauerei, Graphik und Malerei.
Zahlreiche Porträtstudien stammen aus dieser Zeit und zeugen von intensiver
künstlerischer Auseinandersetzung mit Gestalten der Literaturgeschichte,
z. B. biblisch-religiöse Personen, »Don Quichotte« oder
»Tartuffe«
von Molière. 1955 entschloß sich Schöpper für ein
neues berufliches Wirkungsfeld, von dem er sich bessere Aussichten versprach:
als freier Mitarbeiter und Illustrator der »Ruhr-Nachrichten«
und der »Westfalen-Post« in Dortmund. Die zeichnerische Gestaltung
des Feuilletons, Buchillustrationen, Comic-Serien, aber auch graphische,
kartographische Arbeiten gehörten zu seinen Aufgaben, die ihm zu mehr
und mehr Aufmerksamkeit und Anerkennung verhalfen. Paul Jamin, der politische
Zeichner »Peter Klipp« (Pseudonym) in der Redaktion der beiden
Zeitungen, regte damals an, daß sich Schöpper auch der politischen
Karikatur widme und sich den journalistischen Anforderungen der Tagesnachrichten
stelle. Als Jamin nach Brüssel wechselte, übernahm Schöpper
seine Stelle 1962 als Mitglied der Redaktion, zuständig vor allem
für die politische Tageskari-
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katur, die nunmehr der eigentliche Schwerpunkt seines künstlerischen
Schaffens wurde. Was seitdem tagaus, tagein unter seinen Händen entstanden
ist, stellt heute eine außerordentliche Bildfülle dar — schätzungsweise
6200 Karikaturen.
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Im künstlerischen, journalistischen Gesamtwerk Schöppers
bilden die Karikaturen den eigentlichen Schwerpunkt, in dem er nach eigenem
Bekunden auch zu sich selbst gefunden hat. Rückblickend bewertet er
die Karikatur sogar als Fortführung dessen, was ihm »in die
Wiege gelegt« sei und ansatzweise bereits in Kindertagen deutlich
wurde. Dies bestätigen frühe, kindliche Bleistiftskizzen und
Scherenschnitte zu verschiedenen Erlebnissen des erst 9jährigen, dem
offenbar eine ungewöhnliche Auffassungsgabe und ein erstaunlicher
Spürsinn für humorvolle Details zugute kamen (vgl. Kat.-Nr. 15
und 16). Nachhaltige Ermutigung und Förderung seiner künstlerisch-zeichnerischen
Talente erfuhr der Heranwachsende nicht zuletzt aus seinem Elternhaus.
Ihm verdankt er wichtige Impulse, seine Aufmerksamkeit zunächst auf
die Mal- und Bildhauerkunst zu richten und sie durch eine solide einschlägige
Ausbildung zu entfalten. Auf dieser fachlich geschulten Grundlage entwickelte
er später in der Karikatur allmählich seine unverwechselbare
Ausdrucksform.
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Durchgängig sind es drei Elemente, derer sich Schöpper bedient
(hat) — Strich, Schwarzfläche und Schraffur für wechselnde Grautöne,
Mittelwerte u. a. — in der Regel mit Tusche, Stahlfeder, einfachen Filz-
oder Bleistiften auf Karton-Papier.
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In der Wahl seiner stilistischen Mittel unterliegt er äußeren
Zwängen, die aus der abwechslungsreichen Gestaltung einer Zeitung
herrühren. Anders als in Zeiten Daumiers, als noch Text- und Bildseite
einer Zeitung gleichwertig nebeneinandergestellt waren, ist die heutige
Karikatur zumeist in die Texte integriert, teils sogar ihnen nachgeordnet
(vgl. Kat.-Nr. 17-21). Wichtig ist dabei schon das äußere Erscheinungs-»Bild«
der Zeitungsseite, in der sich die Karikatur behaupten muß. Im Unterschied
zur vielfach variierten, kräftigen Zeichnung Schöppers fällt
z. B. H. E. Köhler mit seiner feinen Strichzeichnung besonders deutlich
auf. Konnte Köhler noch mit einem »ruhigen« Umfeld rechnen,
so sieht sich Schöpper stets in der Konkurrenz sehr verschiedenartiger
Gestaltungselemente »seiner« Zeitungsseite. Außer den
üblichen Textflächen setzen der großformatige Namenszug
der Zeitung, der Fettdruck von Überschriften, der Leitartikel und
der Kolumnen, ebenso die Bildflächen (Fotos, Graphik etc.) Maßstäbe,
an denen sich auch die Gestaltung seiner Karikatur messen muß.
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Zeitweilig arbeitete Schöpper in den 60er Jahren mit Punkt- und
Schraffurfolie (vgl. Kat.-Nr. 32 und 81), die sich aber nach seiner Einschätzung
nicht bewährten und so den experimentellen Charakter nicht überschritten.
Dominierten anfangs noch einfache, gerade Linien (vgl. Kat.-Nr. 28,80 und
81), so bevorzugte er bald schon Kurven, die sich für die Konzeption
der Zeitungskarikatur besser eigneten. Dabei geht er zumeist von bestimmten
Grundsituationen aus, d. h. einer Anordnung von Figuren. Deren Verhältnis
zueinander wird durch Körperhaltung, Gesichtsausdruck und kurze Textergänzungen
in Binnenschriften oder Bildunterschriften überdeutlich in Szene gesetzt.
Die Beziehungen und das Verhalten der Dargestellten untereinander sind
der eigentliche Bildgehalt. Auswahl und Gestaltung einzelner Teile sind
nachgeordnet, z. B. räumliche Andeutungen, Statisten oder die Ausschmückung
des Hintergrundes. Die Physiognomie und mancherlei attributive Hinweise
erlauben die Identifikation der Haupthandelnden und ihrer politischen Bezüge.
Deren Begegnung erscheint in Bleistiftvorskizzen der entstehenden Karikatur
(vgl. Kat.-Nr. 22-23) zunächst in mehreren Varianten. Diejenige Skizze,
die die höchste Aussagekraft erreicht, wird schließlich ausgewählt
und für die Presse-Öffentlichkeit freigegeben.
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Die »Wegesstrecke« — von der ersten Bildidee über
die Bleistiftskizzen bis zum Endergebnis der druckfähigen Karikatur
— unterliegt nicht selten einem unerbittlichen Termindruck, der durch Redaktionsschluß,
unerwartete plötzliche Neuigkeiten u. ä. vorgegeben ist. Schöpper
vergleicht sich deshalb gelegentlich mit einem 100-m-Läufer, der stets
zu Bestleistungen angehalten ist. Es liegt nahe, daß nicht immer
rekordverdächtige Leistungen erbracht werden können. Nach dem
selbstauferlegten hohen Anspruch muß er manchmal auch optimale anstatt
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ideale Lösungen hinnehmen. Einige Karikaturen tragen noch die Spuren
des Terminablaufs, z. B. den Eingangsstempel der Expreßgutabfertigung.
Sie gewährleistete die schnellste Beförderung vom Bahnhof in
der Nähe des Entstehungsortes, des Ateliers des Künstlers, zur
Zeitungsredaktion – bis zur Einführung kommunikationstechnischer Neuerungen
(Telefax u. a.). Diese brachten eine wesentliche zeitliche Verkürzung
und Entlastung des bislang aufwendigen Transports und der Organisation.
Eile blieb aber auch weiterhin ein ständiges, typisches Gebot für
die Erstellung der politischen Tageskarikatur. Dabei verlang(t)en journalistisch-inhaltliche
Anforderungen eine doppelte Aufgabenstellung, den tagespolitischen Aktualitäten
und den übergreifenden strukturellen Hintergründen der Presse-Nachrichten
gleichermaßen gerecht zu werden. Dem weitgespannten, journalistischen
Erwartungshorizont entspricht die angemessene, durchweg anspruchsvolle
Plazierung in der Zeitung. So sind die Karikaturen von Schöpper in
der Regel auf der ersten Zeitungsseite gedruckt, um dort ein zentrales
politisches Thema bildhaft zu kommentieren und hervorzuheben.
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Für die Bewältigung der komplexen Aufgabenstellung einer
politischen Karikatur inmitten einer Zeitung sind redaktionelle Themenabsprachen
ebenso unabdingbar wie die journalistische und künstlerisch-gestalterische
Freiheit des Karikaturisten. Innerhalb einer Zeitungsredaktion wird das
Ressort »Karikatur« zumeist von nur einer Person betreut und
betrifft vorrangig die Politik. Wichtig ist der Spürsinn des Karikaturisten
für Fragen, die die Leserschaft wirklich beschäftigen und die
jedermann versteht. Sobald ein Thema in der Redaktion vereinbart worden
ist, bedarf es der angemessenen Bild-Idee und deren künstlerisch-zeichnerischen
Umsetzung. Dazu gilt es, das Thema zu analysieren, zu durchleuchten, hin
und her zu wenden, das Wesentliche und das Aktuelle herauszufiltern. Das
Ergebnis ist dann in der Bild-Vermittlung mit Witz, Ironie, Satire und
Frechheiten anzureichern. Dies bedarf schließlich der angemessenen,
qualitätvollen Zeichnung – allem Termindruck zum Trotz. Die Bedeutung
einer guten, kraftvollen Zeichnung ist kaum zu überschätzen.
Sie kann auch bei einer schwachen Bild-Idee zum Erfolg verhelfen, der letztlich
an der Überzeugungskraft einer Karikatur unter der Leserschaft und
an den selbstauferlegten journalistischen und künstlerischen Ansprüchen
des Karikaturisten zu messen ist.
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Für das Kunst- und Selbstverständnis Schöppers gilt
Freiheit außerdem als wichtiges Gestaltungsprinzip. Es entspricht
seinem Anliegen, bei aller bissigen Schärfe weder in Bild noch im
Text zu beleidigen, zu diffamieren oder gar zu vernichten. Konsequenterweise
dürfen Karikaturen laut Schöpper nicht manipulieren oder indoktrinieren.
Vielmehr sollen sie einen Beitrag leisten zu Transparenz und Sachlichkeit.
Sie bezieht er nicht nur auf die karikierende Darstellung von Personen
und Sachverhalten, sondern auch auf die Wirkung unter seinen Adressaten
und »Lesern«. Anstatt ihnen eine bestimmte Meinung aufzudrängen,
will Schöpper sie zu kritisch-bewußter Reflexion und Eigenaktivität
anregen. Für diese Absicht sind die sogenannten »erzählenden«
Karikaturen aufschlußreich, die Schöpper auch als »Parabel«
bezeichnet, d. h. als eine Erzählung von realen Begebenheiten und
Verhältnissen in »Bild«-Darstellungen; zu deren »realer«
Deutung und Auswertung sind Zuhörer bzw. Betrachter selbst angehalten,
indem sie die Vergleichspunkte des realen Teils und der Bildhälfte
ermitteln. So »erzählt« Schöpper z. B. von parteipolitischen
Koalitionsproblemen – im Bild: Eheszenen (vgl. Kat.-Nr. 24, 41, 46, 54
und 60), von Regierungserklärungen – im Bild: die Triumphfahrt auf
einer Quadriga (vgl. Kat.-Nr. 30), die Warenauslage einer Bäckerei
(vgl. Kat.-Nr. 1) oder der Lehrervortrag im Schulunterricht (vgl. Kat.-Nr.
45). In manchen Karikaturen knüpft Schöpper auch an alte klassische
Bild-Traditionen an, so z. B. an die populäre Hinterlassenschaft von
Wilhelm Busch (1832-1908). Auf ihn beruft sich Schöpper gelegentlich
sogar ausdrücklich, ohne ihn freilich einfach zu kopieren.
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Wilhelm Busch widmete sich nach Kunststudien in Düsseldorf, Antwerpen
und München glücklos der Genre-Malerei, erlangte aber größere
Bedeutung wider Willen durch seine satirischen Zeichnungen. Das Medium
der Bilder-Geschichte entwickelte er zu einer wohl unübertroffenen
Vollkommenheit. Vor-
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zugsweise bediente er sich bestimmter Stilmittel —Verkleinerung, ikonographische
Freiheit und Offenheit. Auch Busch faßte die Bilder-Geschichten weniger
als Kunst denn als »Erzählung« auf und karikierte dabei
das kleinbürgerliche Spießertum. Es gibt kaum eine menschliche
Schwäche oder Unzulänglichkeit, die nicht von Busch erfaßt
worden ist. Einen schier unerschöpflichen Bilderreichtum hat er hinterlassen,
dem sich Schöpper heute verbunden fühlt. Die künstlerische,
geistige Verbindung zeigt sich in der freien Übertragung mancher Bildmotive
oder ganzer Zyklen (vgl. Kat.-Nr. 26, 27 und 43), im Skizzenstil, überhaupt
in der kommunikativen, »erzählenden« Verwendung der politischen
Karikatur, sicher aber auch in dem geistreichen Witz, der vor sich selbst,
d. h. vor dem Künstler, nicht haltmacht. Mehr noch als Busch hat Schöpper
seit den 70er Jahren sich selbst in die Karikatur einbezogen und zwar als
»Raben« (vgl. Kat.-Nr. 1-7 und 13), um so seine Position als
Passant oder Außenstehender zu unterstreichen und seine Distanz zum
Dargestellten hervorzuheben. Diese Zurückhaltung unterstützt
den gesprächsoffenen, dialogbereiten Charakter seiner Karikaturen,
die nicht selten auf einfache zweifelsfreie Aussagen verzichten. Statt
dessen bieten sie Anhaltspunkte zu verschiedenen Ansichten und Interpretationen,
die Schöppers Wunsch nach einer offenen, freien Diskussion entgegenkommen.
Der Erfolg dieser Bemühungen blieb nicht versagt und äußerte
sich u. a. in einer lebhaften Resonanz (vgl. Kat.-Nr. 14) — in zahlreichen
Leserzuschriften, zugleich in mancher öffentlicher Kontroverse (vgl.
Kat.-Nr. 76).
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Dr. Arnold Vogt
Weiterführende Literatur: Otto Baur, Der Mensch-Tier-Vergleich
und die Mensch-Tier-Karikatur, eine ikonographische Studie zur bildenden
Kunst, Köln 1973; Friedrich Bohne (Hg.), Wilhelm Busch, Gesamtausgabe
in 4 Bänden mit kritischem Kommentar, Wiesbaden o. J.; Klaus Herding
und Günter Otto (Hg.), Nervöse Auffangsorgane des inneren und
äußeren Lebens, Karikaturen, Gießen 1980; Werner Hofmann,
Die Karikatur von Leonardo bis Picasso, Wien 1956; Pierre Kaufmann, L'Experience
emotionelle de l'Espace, Paris 1967; Michel Melot, Die Karikatur. Das Komische
in der Kunst, Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz 1975; Theodor-Wolff-Preis
1968, Berlin 1968; Helmut Thielicke, Das Lachen der Heiligen und Narren,
Nachdenken über Witz und Humor, Freiburg 1977.
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